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250 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

litik der Weltmacht USA, eine neue Konjunktur. Es gibt also viele Erklärungsversuche dessen,<br />

ob heute noch politische Gestaltung möglich ist und nach welchen Prinzipien sie geschieht.<br />

Auch bei unserer bescheideneren pädagogischen Problematik landeten wir immer<br />

wieder bei politischen Fragen: Welche Schule wollen wir und werden wir haben? Welche<br />

Chancen hat die außerschulische Pädagogik? Wie wird es mit der öffentlichen Förderung<br />

des <strong>Kultur</strong>systems weitergehen? All dies sind entscheidende Fragen, von deren Beantwortung<br />

es abhängt, welche Praxis in Zukunft noch möglich sein wird. Auffällig war, dass<br />

selbst skeptische Gesellschaftsdiagnosen in Pädagogikkonzeptionen immer noch davon<br />

ausgehen, dass ein gewisses Maß an wohlfahrtsstaatlichem Engagement nicht unterschritten<br />

wird. Offenbar fällt es schwer, das neoliberale Gesellschaftsmodell selbst dort konsequent<br />

zu Ende zu denken, wo man es als Perspektive der bevorstehenden Entwicklung<br />

präzise in die eigene Theorienbildung eingeholt hat (z. B. bei Galuske). In der Tat könnte<br />

ein Blick auf die Realität und ihre vermutliche Entwicklung Pessimismus aufkommen lassen:<br />

In (fast) jeder unserer Parteien ist Neoliberalismus die allseits akzeptierte Grundlagentheorie.<br />

Medien unterstützen fast unisono deren Thesen vom notwendigen „Umbau des<br />

Sozialstaates“, von den angeblich zu hohen Lohnnebenkosten, von der Notwendigkeit,<br />

angesichts der internationalen Konkurrenz erhebliche Eingriffe in die Lebensqualität der<br />

Menschen hinzunehmen. Wie soll man zu alternativen Erklärungsansätzen der gesellschaftlichen<br />

Wirklichkeit kommen, wenn sowohl die Realität, aber auch die mediale Formung<br />

unserer Mentalität offensichtlich derart gleichgeschaltet sind? (Vgl. dazu Müller 2004).<br />

Angesichts dieses eher deprimierenden Szenarios ist es überraschend, dass tatsächlich Chancen<br />

der Wiedergewinnung von Reflexionsfähigkeit und von Alternativen in der Gestaltung der<br />

Gesellschaft gesehen werden – und dies bei Autoren mit völlig unterschiedlichen Ansätzen.<br />

Einige Beispiele soolen dies belegen: Der Wirtschaftsnobelpreisträger und Armutsforscher<br />

Armatya Sen wird nicht müde, politische Freiheit und lebendige Demokratie als Grundlage<br />

für eine erfolgreiche Armutsbekämpfung (mit zahlreichen empirischen Belegen) zu propagieren.<br />

Das Autorengespann Hardt/Negri, das auf der Grundlage einer unorthodoxen Theorienmischung<br />

von Foucault und Marx einen umfassenden Theorienentwurf für die zukünftige<br />

digitalisierte und globalisierte Netzwerkgesellschaft vorgelegt hat (2002), beschreibt<br />

in seinem neuen Buch („Multitude“, 2004), dass die Vielzahl aller Menschen (eben: die<br />

„Multitude“) als gestaltendes Subjekt der Politik der übermächtig erscheinenden Herrschaft<br />

des „Empire“ die Gestaltungsmacht durchaus streitig machen kann. In eine ähnliche Richtung<br />

gehen – von konservativen bis zu linken Ansätzen – zahlreiche andere Autoren, so dass<br />

der Brandtsche Slogan eine neue Aktualität bekommt: Mehr Demokratie wagen. An dieser<br />

Stelle erhalten – trotz ökonomischer und/oder staatlicher Fesseln – <strong>Kultur</strong>- und Bildungsarbeit<br />

eine Aufgabe, die an die Gründungsversprechen der Moderne anschließt: Wissen,<br />

Ermutigung, Phantasie, widerständiges und Möglichkeitsdenken, Empowerment, und dies<br />

in der doppelten Zielrichtung des (individuell) guten, gelungenen und glücklichen Lebens,<br />

das aber weiß, dass dies nur im (politisch entsprechend gestalteten) Sozialen realisiert werden<br />

kann. Vielleicht sind die bürgerlichen Grundwerte Frieden, Freiheit, Gleichheit und<br />

Gerechtigkeit orts- und zeitgebunden, mehr Ideologie als Empirie oder Theorie. Doch setzen<br />

sie – einmal in die Welt gesetzt – Maßstäbe dafür, was der Mensch über die „richtige“<br />

Form seiner Lebensbedingungen denken kann, auch als ständige Erinnerung daran, dass<br />

man der gedachten Vision auch dann zur Realisierung verhelfen könnte, wenn die etablierten<br />

Strukturen in Politik, Gesellschaft und Medien zur Zeit dem entgegenstehen. Pädagogik<br />

muss daher komplementär zur Politik betrachtet werden, wobei dieser Zusammenhang

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