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KULTURPÄDAGOGIK UND SCHULE 259<br />

tes in international agierenden „nationalen Wettbewerbsstaat“ (J. Hirsch), der die Bedingungen<br />

für die Wirtschaft optimiert; neue Rolle von Netzwerken, d.h. horizontalen „Gouvernance“-Strukturen,<br />

neue Rolle übernationaler Instanzen (EU, WTO, IMF etc.).<br />

Weltordnungssysteme: neue Konflikte aufgrund der imperialistischen Tendenzen des Neoliberalismus,<br />

Globalisierung provoziert Widerstand gegen kulturelle, ökonomische, soziale<br />

Vereinnahmung, neue Kriegsformen; neue Sicherheitsrisiken (Terrorismus), was Abbau liberaler<br />

Grundrechte zur Folge hat (patriot act in den USA; neue Sicherheitsgesetze in<br />

Deutschland).<br />

Wissenschaft: Ökonomisierung und Taylorisierung der Hochschule (Bologna-Prozess), endgültiger<br />

Abbau Humboldtscher Ideen einer (Zweck-)Freiheit von Lehre und Forschung,<br />

dagegen strikte Funktionalisierung; Drittmittel-(=Auftrags-)forschung, Überschreitung<br />

moralischer Grenzen (Gentechnologie, Biowissenschaften, Neurowissenschaften); letztgenannte<br />

Wissenschaften werden zu neuen Leitdisziplinen.<br />

<strong>Kultur</strong> und Kunst: Marktorientierung, sichtbar an Events, Leuchtturmförderung, Projektorientierung,<br />

Erlebnischarakter setzt sich fort und verstärkt sich; Verunsicherung wegen<br />

Pluralisierungstendenzen, daher Versuch einer „Rückbesinnung“ auf das Eigene: „Leitkultur“-Debatte,<br />

Patriotismusdebatte; innere Widersprüche in allen Parteien: SPD: klassische<br />

Gerechtigkeitsvorstellungen vs. neoliberale Neudefinitionen im Rahmen des „Dritten Weges“<br />

(Schröder-Blair-Papier, Agenda 2010); CDU: klassische (katholisch-christliche) Soziallehre;<br />

Rheinischer Kapitalismus (Blüm, Seehofer) vs. „Neue Marktwirtschaft“, Verunsicherung<br />

des wertkonservativen Kerns der CDU; FDP: Widersprüche zwischen Wirtschaftsund<br />

politischem Liberalismus.<br />

Bei all diesen Stichworten ist der Unterschied zwischen realen Prozessen und ideologischen<br />

Überhöhungen zu beachten. Dies ist deshalb erkenntnistheoretisch sehr schwer, weil auch<br />

eine „Beschreibung des Realen“ nicht ohne theoretische Begrifflichkeit auskommt, in die<br />

jedoch bereits bestimmte Vorannahmen geflossen sind. So gibt es natürlich soziale Wandlungsprozesse,<br />

Veränderungen etwa in der Familie, in der Art und Weise, wie man sein<br />

Leben führt. Es gibt Veränderungen in Wertordnungen, bei denen reale Prozesse, mediale<br />

Indoktrinationen, geistige Reflexionsprozesse und weltanschauliche Grundüberzeugungen<br />

eine Rolle spielen. Nichts, was geschieht, kann in simplen Ursache-Wirkung-Zusammenhängen<br />

beschrieben werden. Nur: in jeder Facette dieses Prozesses, in der Gestaltung des<br />

Realen, in der Einflussnahme auf Mentalitäten, in der Formulierung von Zielen, in der<br />

Verbreitung scheinbarer Selbstverständlichkeiten ist heute eine weltweit agierende Phalanx<br />

neoliberaler Akteure aktiv – und bisweilen gehören wir selbst auch dazu.<br />

Was ist zu tun? Immer noch hilft „<strong>Kultur</strong>“, helfen Künste, den Kopf frei zu machen von<br />

derartigen Einflüssen. Nach wie vor gibt es gute Gründe für die Annahme, dass sich die<br />

Realität – und das heißt: mit den Händen zu greifende Verschlechterungen der Lebensbedingungen<br />

der Meisten – gegen ideologische Verschleierungen zu Wort meldet. Nach wie<br />

vor ist eine Gleichschaltung der kritischen Intelligenz noch nicht gelungen. Nach wie vor<br />

verstrickt sich die neoliberale Ideologie in Widersprüche: in theoretische Widersprüche<br />

und in Widersprüche zur Realität. Nach wie vor brechen immer wieder Konkurrenzen in<br />

dem gar nicht so harmonischen neoliberalen Block aus, denn die Dschungelgesetze des<br />

„reinen Marktes“ gelten letztlich auch untereinander. Nach wie vor wehrt sich eine noch so<br />

wirtschaftsfreundliche Politik gegen eine Totalvereinnahmung. Nach wie vor wirken Traditionen<br />

einer sozialdemokratischen Gerechtigkeitsgeschichte, einer christdemokratischen<br />

Soziallehre oder von liberalen Freiheits- und Menschenrechtstraditionen. Nach wie vor

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