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256 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

legitimiert, wenn auch die Schlechtestgestellten in der Gesellschaft einen Vorteil von der<br />

gesellschaftlichen Ungleichheit haben. So entwickelt Rawls auf der Basis der aktualisierten<br />

liberal-philosophischen Grundprinzipien eine „Theorie der (sozialen) Gerechtigkeit“. Der<br />

„Markt“ ist gerade nicht verabsolutierter Selbstzweck, sondern Mittel für den humanen<br />

Zweck einer gerechten Gesellschaft (vgl. Slater/Tonkiss 2002, Altvater 1992, aber auch<br />

Schui/Blankenburg 2002). Ist „Gerechtigkeit“ – vor allem in der organisierten Form des<br />

Sozialstaates – dem Neoliberalismus ein Greuel, kann es „Gleichheit“ als etwas, das notfalls<br />

durch Umverteilung hergestellt werden müsste, erst gar nicht geben (sondern bestenfalls in<br />

der modernen rot-grünen Variante einer „Chancengerechtigkeit“: Jeder darf sein Glück<br />

versuchen), so gibt es „Freiheit“ in erster Linie als ungehinderte Markt- und Tauschfreiheit.<br />

Der Neoliberalismus ist also in der Tat eine Wertekonzeption, in der die klassischen Werte<br />

der bürgerlichen Gesellschaft eine Rolle spielen. Doch muss man sich sehr genau die spezifischen<br />

Deutungen der klassischen bürgerlichen Werte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit<br />

betrachten. Heute ist eine neoliberale Ordnung nur noch global und digital gestützt<br />

zu denken.<br />

Neu und aktuell ist die Verbindung mit Welt(markt)theorien des Imperialismus. Denn die<br />

expansive ökonomische Dynamik des Neoliberalismus weiß durchaus die bislang noch vorhandenen<br />

politischen Kräfte zu nutzen, um ökonomische Einflusssphären auszudehnen<br />

bzw. zu schützen. Dabei geht der Neoliberalismus durchaus interessante Koalitionen ein,<br />

wie in jüngster Vergangenheit an der Politik der USA zu studieren ist. So gab es offensichtlich<br />

Pläne zur Sicherung der Ölfelder in Nahost lange vor dem 11.9.2001, der allerdings<br />

unter dem label „war against terrorism“ einen guten Anlass bzw. Vorwand bot, diese Pläne<br />

nun auch so zu realisieren, dass man mit einer gewissen Akzeptanz und Unterstützung<br />

anderer Länder rechnen konnte. Auch weiß man inzwischen durch die Filme und Bücher<br />

von M. Moore über die Verquickungen der Bush-Administration mit der Groß-, und speziell<br />

der Ölindustrie Bescheid. Man soll jedoch bei all diesen offensichtlichen ökonomischen<br />

und geopolitischen Zielen nicht die religiös-fundamentalistische Ausrichtung dieser<br />

Politik (Kampf des Guten gegen das Böse) sowie den Einfluss der „Neocons“ unterschätzen,<br />

also die Anhänger politischer Theorien, die von dem deutschen Staats- und Machttheoretiker<br />

C. Schmitt inspiriert wurden. Es laufen offenbar einige unterscheidbare Strömungen<br />

und Ursachenkomplexe zusammen.<br />

Der „klassische Neoliberalismus“ hatte prominente Vordenker. Vor allem ist F. von Hayek<br />

zu nennen, der Ordo-Liberalismus, die ganze Garde der so genannten Chicago-Boys, der<br />

aktuellen neoklassischen und monetaristischen Schule der ökonomischen Theorie (M. Friedmann),<br />

die ihre fachspezifischen Konzepte und Theorien expansiv auf andere Gesellschaftsfelder<br />

ausdehnen (z. B. G. Becker).<br />

Bemerkenswert – und gefährlich – ist die umstandslose Einbeziehung neoliberaler Wirtschaftsvorstellungen<br />

in sehr unterschiedlichen politischen Parteien. So unterscheiden sich<br />

in der entsprechenden Programmatik selbst die Rechten in NPD, DVU oder FPÖ in ihrer<br />

neoliberalen Theorie wenig von den Schröder-Blair-Papieren oder den Texten von dessen<br />

Urhebern und Stichwortgebern (Hombach, Giddens; vgl. Schui/Blankenburg 2002, S. 151<br />

ff.): Privateigentum, Unternehmertum, Konkurrenzprinzip, Umstellung der Sozialversicherung<br />

auf Kapitaldeckung, Kampf des „Anspruchdenkens im Sozialstaat“, Begrenzung der<br />

Tarifautonomie, Senkung der Sozialabgaben etc.<br />

Nicht verwechseln darf man – wie es allerdings stets in der politischen Sprache zu beobachten<br />

ist – die Ebene der Ideologie und der Realität. Die zehn Thesen von Schrempp sind

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