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174 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

Ein kurzer Steckbrief der Moderne<br />

Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, dass es sehr unterschiedliche, jeweils fachspezifische<br />

Deutungsversuche der Gegenwart gibt. Um einen Eindruck zu vermitteln, wie diese Einzeluntersuchungen<br />

jeweils einzuordnen sind, will ich in diesem Abschnitt ein Rahmenmodell<br />

von „Moderne“ skizzieren.<br />

Wegweisend sind bis heute die Studien von Max Weber, der auf der Suche nach den geistignormativen<br />

Grundlagen des Kapitalismus (das ist bei ihm die Moderne) den Protestantismus,<br />

vor allem den Protestantismus Calvinistischer Prägung ausmachte. Diese Studien haben<br />

vielfältige Fortführungen gefunden und die Geschichtstheorie, die Religions- und Wissenssoziologie,<br />

die Theorien des sozialen Wandels beeinflusst. Insbesondere hat sein Freund<br />

Troeltsch diese Studien – ganz in Webers Sinne – vertieft (vgl. Fuchs 2000, Kap. 2).<br />

Ein verbreitetes Bild der Entwicklung der Moderne könnte aussehen wie folgt:<br />

Zunächst einmal ist eine Abgrenzung zwischen geistiger Moderne (Beginn im 16. Jahrhundert:<br />

linearer Zeitbegriff, Gedanke der individuellen Freiheit, Krisenhaftigkeit, Säkularisierung,<br />

Fortschrittsidee), politischer Moderne (im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden;<br />

zweckorientierte Gestaltung von Wirtschaft und Staat, politischer Liberalismus, Gewaltenteilung,<br />

demokratische Elemente) und gesellschaftlicher Moderne (Ausdifferenzierung der<br />

gesellschaftlichen Subsysteme, Verschwinden des Ständischen) sinnvoll.<br />

Nun wird es niemanden verwundern, dass auch diese – zugegeben grobe – Differenzierung<br />

des Begriffs der Moderne nicht unumstritten ist. Vielmehr ist die Frage nach der Relevanz<br />

des Epochenwechsels in den verschiedenen historischen Disziplinen und dann natürlich<br />

die zeitliche Festsetzung der unterschiedlichen Epochen ständiges Diskussion- und sogar<br />

Streitthema. Band 1 des Handbuches der <strong>Kultur</strong>wissenschaften (Jaeger/Liebsch 2004) befasst<br />

sich (in Kapitel sechs) ausführlich mit dieser Frage und unterteilt das Kapitel eher<br />

traditionell in archaische Gesellschaften, Hochkulturen (Ägypten, China), klassische Antike,<br />

Mittelalter und Neuzeit (allerdings jeweils mit Problematisierungen dieser Untergliederung).<br />

Gerade der Abschnitt über die Neuzeit (Verfasser: F. Jaeger) enthält kritische Reflexionen<br />

<strong>zum</strong> Epochenbegriff, was allerdings nicht weiter verwundert. Denn erst in der Neuzeit<br />

entsteht ein selbstreflexives Zeit- und Geschichtsbewusstsein. Im Hinblick auf unsere Fragestellung<br />

ist die Auseinandersetzung mit der Gleichsetzung Neuzeit = Moderne interessant.<br />

Der Position, beides beginne um 1500, wird die sich offenbar in der Geschichtswissenschaft<br />

zunehmend Anhänger findende Position entgegengestellt, die die Neuzeit als Vorgeschichte<br />

der Moderne betrachtet und die die Moderne zur Gegenwart zählt, die mit der<br />

Doppelrevolution Mitte des 19. Jahrhunderts beginne. Folge ist zwar, die Einheitlichkeit<br />

eines „langen 19. Jahrhunderts“ aufzugeben, die Zeit zwischen 1850 und 1880 als Übergangsperiode<br />

zu betrachten, in der sich die Grundlagen der Moderne heraus<strong>bildet</strong>en. Die<br />

zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts sind dann als „eigentliche“ oder „klassische“ Moderne<br />

zu betrachten.<br />

Dies ermöglicht dann aber, die allmähliche Herausbildung moderner Lebensformen und<br />

struktureller Bedingungen der Moderne in längeren Zeiträumen zu verfolgen:<br />

„Prozesse der Urbanisierung und der Professionalisierung; Tendenzen der Kapitalkonzentration<br />

und der Herausbildung neuer innerbetrieblicher Organisationsformen und Unternehmensstrukturen;<br />

ein neues, durch kritische Untertöne geprägtes kulturelles Selbstverständnis<br />

der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Deutungs- und Interpretationseliten; die<br />

Genese einer imperialistischen Konstellation, die sich im Ersten Weltkrieg auf katastropha-

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