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Re-education durch Rundfunk - repOSitorium - Universität Osnabrück

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gründen. Das Bild der zu klein geratenen Schlange, die an ihrer riesigen „Beute“<br />

Deutschland schier erstickte, mag vor dem Hintergrund dieses Aufgabenspektrums<br />

gewisse Anschaulichkeit haben. Abwegig ist es jedoch, daraus auf<br />

Konzeptionslosigkeit und planlose Flickschusterei der britischen Deutschlandpolitik<br />

abzuheben. 342 Programmatische Deklamationen wie die von Montgomery, Barker<br />

und Bevin belegen, dass die Briten mit spiegelstrichhaften Aufgabenkatalogen das<br />

„Problem Deutschland“ abzuarbeiten gedachten. Die Konflikte erwuchsen eher aus<br />

der Unmöglichkeit dieses planerischen All-Anspruchs, der deutschen Wirklichkeit<br />

gerecht zu werden. Dies gründete in der beharrlichen Fehleinschätzung des<br />

deutschen Nationalcharakters sowie der daraus resultierenden Fehlbehandlung der<br />

Besiegten in Deutschland.<br />

Als die Briten Nordwestdeutschland besetzten, führten sie ein über Jahrzehnte<br />

gewachsenes Feindbild mit sich. Besonders in den letzten Kriegsmonaten, unter<br />

dem Eindruck der V-Waffen-Angriffe auf England und der Augenzeugenberichte<br />

über die Konzentrationslager, machte sich eine regelrechte Kriegspsychose breit:<br />

„Man brachte lange Berichte in Zeitung und Radio. Die sehr natürliche Folge war,<br />

daß die Leute sich fragten: Was ist das für eine Nation, die derartige Dinge tun<br />

oder dulden kann?“ 343 Eine Frage, die sich auch die Besatzungsoffiziere stellten.<br />

So beschreibt Michael Balfour, britisches Mitglied der Kontrollkommission, in einem<br />

mehrseitigen Charakterkatalog das Wesen des Deutschen als ambivalente<br />

Mischung aus Obrigkeitsglauben, Geltungsdrang und Passivität. Der „Arroganz und<br />

Aggressivität der Deutschen“ stellt er ihre „Unterwürfigkeit in der Niederlage“<br />

gegenüber. Sie verfielen „sehr leicht einer exzessiven Sentimentalität“ und hätten<br />

sich zugleich „unempfindlich gezeigt gegenüber Gewalttätigkeit“. Der „Mangel an<br />

innerem Selbstvertrauen“ sei bei den Deutschen Grund für ihre „Unfähigkeit, Kritik<br />

341 Ernest Bevin, Extract from a statement concerning the British Government’s policy on Germany,<br />

in: Beate Ruhm von Oppen (Hg.), Documents on Germany under Occupation 1945-1949,<br />

London/New York/Toronto 1955, S. 181.<br />

342 So z.B. die Hauptthese von Thies, What is going on in Germany?, S. 29 f.<br />

343 Hugh Carleton Greene, Über die Deutschen, in: von Plato/Leh, „Ein unglaublicher Frühling“, S.<br />

373.<br />

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