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Re-education durch Rundfunk - repOSitorium - Universität Osnabrück

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nation.“ 241 Der Wechsel von Schuld zur Verantwortung verlief im Einklang mit der<br />

auf die Kooperation mit den Deutschen angewiesenen Strategie der <strong>Re</strong>-<strong>education</strong>.<br />

Bevor die Zonenverwaltung in Kraft trat, herrschte die Vorstellung, in Deutschland<br />

von einer mentalen Stunde Null auszugehen. Der Krieg hatte den physischen Teil<br />

erledigt, nun ging es darum, die Köpfe der Deutschen leerzuräumen, um darin die<br />

Keime der Demokratie einzupflanzen. Die Kollektivschuldthese legitimierte die <strong>Re</strong>-<br />

<strong>education</strong> dazu, den Ballast der deutschen Tradition über Bord zu werfen: „What<br />

we are going to do is to stamp out the whole tradition on which the German<br />

nation has been built.“ 242 Diese radikale Forderung kollidierte mit der<br />

Hochachtung, die in Großbritannien den deutschen Kulturleistungen<br />

entgegengebracht wurde. So nannte Robert Birley den Deutschen Wilhelm von<br />

Humboldt „the greatest figure in the history of modern Education. To him more<br />

than to anyone else, is due belief in the world of our time that Education is one of<br />

the great forces of human society.” 243 Umerziehung in einem Land, das auf einer<br />

jahrhundertealten kulturellen, christlich-humanistischen Tradition fußte – dieses<br />

Paradox suchten die Besatzer aufzulösen, indem sie den Rückgriff auf diese<br />

Tradition zum Bestandteil der <strong>Re</strong>-<strong>education</strong> deklarierten.<br />

Auffällig ist, dass bei der Problematik des <strong>Re</strong>-<strong>education</strong>-Konzepts ein<br />

naheliegendes Argument niemals ins Feld geführt worden ist: das Argument der<br />

Humanität. Nichts wäre leichter gewesen, als die Umerziehung als die<br />

menschenfreundlichste Lösung des deutschen Problems darzustellen. Die<br />

Alternativen lauteten De-Industrialisierung, Agrarisierung, Deportation,<br />

Vernichtung der staatlichen Existenz – und demgegenüber <strong>Re</strong>-<strong>education</strong> als das<br />

Heranführen an Demokratie und die Wiedereingliederung in die europäische<br />

Völkerfamilie! Doch dies entsprach nicht der Motivlage der Briten. Für sie war <strong>Re</strong>-<br />

<strong>education</strong> kein Wohlfahrtsprogramm, sondern ein Konzept zur Lösung der<br />

241 Direktive 12.05.1945, PRO/FO 1005/739<br />

242 So J.M Troutbeck, der aus der Zwischenkriegsära des Foreign Office und dem Vansittart-Umfeld<br />

kam und später den Vorsitz des Joint Committee innehatte, PRO/FO 371/39093.<br />

243 Robert Birley, 13.09.1948, PRO/FO 371/70714.<br />

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