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Re-education durch Rundfunk - repOSitorium - Universität Osnabrück

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Programm produzieren. Deswegen übten sie in Personalfragen ihre Kontrollhoheit<br />

am stärksten aus. So informell und pragmatisch sie diese scheinbar handhabten,<br />

so blieb das Kriterium der politischen Gesinnung dabei stets das entscheidende,<br />

wohingegen handwerkliche Fragen (etwa nach journalistischen Vorkenntnissen) in<br />

den Hintergrund traten. Die von den meisten deutschen NWDR-Journalisten der<br />

britischen Ära als liberal und tolerant charakterisierte Programmpolitik hingegen<br />

interessierte die Kontrolleure erst in zweiter Linie, da sie sie als Funktion in<br />

Abhängigkeit des entsprechenden Personals ansahen. Die zurückhaltende<br />

Ausübung der formal existierenden Zensur belegt, dass die Briten mit dem<br />

Personal gleichzeitig auch die Programminhalte hinreichend unter ihrer Kontrolle<br />

glaubten. Die unbestreitbaren Freiräume bei der Gestaltung neuer Genres und der<br />

Behandlung heikler Themen sowie die Loyalität der Kontrolloffiziere gegenüber<br />

den deutschen NWDR-Mitarbeitern war weniger großzügige Geste als vielmehr<br />

Umsetzung des <strong>Re</strong>-<strong>education</strong>-Prinzips, ihnen zwar die gröbsten Denkfehler und<br />

überkommenen Sprachmuster auszutreiben, sie darüber hinaus aber zu<br />

Experiment und Wahlfreiheit zu ermutigen. Dergestalt sollte die angestrebte<br />

Meinungsvielfalt am Ende beim deutschen Zuhörer ankommen. Deutsche erziehen<br />

Deutsche zum demokratischen Denken – so lautete schließlich die Formel der<br />

britischen Erziehungspolitik.<br />

So ausgiebig sich Planungsstäbe und Besatzungsbehörden mit den Entwicklungen<br />

nach der Kontrollübernahme befasst hatten, so wenig realistisch hatten sie sich<br />

auf das Ende der Kontrollphase eingestellt. Bei der Überprüfung von Wirkung und<br />

Nachhaltigkeit ihrer Umerziehungsstrategie kamen sie zunächst zu<br />

widersprüchlichen Ergebnissen. Für den Bereich des <strong>Rundfunk</strong>s hat sich gezeigt,<br />

dass mit dem Augenblick der Übergabe an die Deutschen die britischen<br />

Kontrollbehörden den NWDR in der Gefahr sahen, <strong>durch</strong> Politisierung,<br />

Einmischung von Parteien und Behörden sowie <strong>durch</strong> Bürokratisierung seine<br />

mühsam erkämpfte demokratische Legitimation und damit seine erzieherische<br />

Funktion wieder zu verlieren. In den Folgejahren versuchten sie über<br />

Einflussnahme und Beratung alles in ihrer verbliebenen Macht stehende, um die<br />

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