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Re-education durch Rundfunk - repOSitorium - Universität Osnabrück

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Die Mobilisierung der Schuldfrage schien der Schlüssel, um das Konzept der <strong>Re</strong>-<br />

<strong>education</strong> im Rahmen der Besatzungspolitik zu sanktionieren. Wenn alle<br />

Deutschen die Schuld des Nationalsozialismus teilten, so mussten eben alle<br />

erzieherisch behandelt werden. Doch bald stellten sich Zweifel über die<br />

Kollektivschuldthese ein. Sie kamen vor allem von der britischen Linken, in deren<br />

Theorie des „anderen Deutschland“ eine schweigende Minderheit den<br />

militaristischen Kräften der Nazis ausgeliefert waren. Darin sah z.B. der Labour-<br />

Politiker Victor Gollancz keine deutsche Schuld, wohl aber eine Verantwortung für<br />

das eigene Schicksal: „Unless the German people themselves overthrow their<br />

militarists, junkers and industrialists by means of a democratic [...] revolution, the<br />

terrible lesson of the past will be repeated.“ 238<br />

Zum Dilemma wurde das Schuldargument nach der Kapitulation in der britischen<br />

Zone. Weder den eigenen Truppen noch den Deutschen war es vermittelbar,<br />

einerseits Kooperation im Sinne der „indirect rule“ anzustreben, andererseits den<br />

Bannfluch der kollektiven Schuld an schwersten Völkerverbrechen zu verhängen -<br />

ein Widerspruch, der selbst die „noble and inspiring Germans“ 239 zu verprellen<br />

drohte, die für den Wiederaufbau gebraucht wurden. Da schien es zweckmäßig,<br />

mit einer semantischen Verschiebung den Akzent von der kollektiven Schuld weg<br />

auf eine konstruktivere kollektive Verantwortung hin zu lenken. Die Folgen von<br />

Versailles hatten gezeigt, welche negativen Kräfte eine auftrumpfende Siegermoral<br />

freisetzen konnte: „It will remain (in German eyes) merely the kind of settlement<br />

which the victorious side imposes by force of arms at the end of the war.“ 240 Als<br />

die Public <strong>Re</strong>lations and Information Services Control (PR/ISC) ihre Arbeit<br />

aufnahm, hatte in ihrer ersten Direktive die Sprachregelung bezüglich der Nazi-<br />

Verbrechen schon den Begriff der Verantwortung verankert: “The moral<br />

responsibility for these crimes must be laid wholly and solely on the German<br />

238<br />

Victor Gollancz, Shall Our Children Live or Die? A <strong>Re</strong>ply to Lord Vansittart on the German<br />

Problem, 4. Impr London 1942, S. 33.<br />

239<br />

Der Begriff stammt aus einem PWD-Papier vom 21.04.1945, PRO/FO 371/46894.<br />

240<br />

So Michael Balfour in dem Papier „German guilt – to plug or not to plug“, PRO/FO 1056/22.<br />

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