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Re-education durch Rundfunk - repOSitorium - Universität Osnabrück

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legitimierte einen aggressiven Propagandastil, der nicht zwischen deutschem Volk<br />

und Naziführung differenzierte, wie ein Mitarbeiter des Foreign Office 1943<br />

ausführte: „Any discussion of it would arouse the wrath of Lord Vansittart and his<br />

followers and the suspicion of our European Allies. [...] In the past we have for<br />

this reason avoided making any clearcut distinctions.” 210 Zudem diente die These<br />

von den kriegsbesessenen Deutschen dem Ziel der bedingungslosen Kapitulation.<br />

Schließlich gab das Erklärungsmodell des deformierten deutschen<br />

Nationalcharakters eine Vorlage für das Programm der späteren Besatzungspolitik<br />

– die Notwendigkeit eines, in Vansittarts Worten, „fundamental change of soul“,<br />

einer Neuausrichtung der deutschen Seele, letzten Endes: der Umerziehung.<br />

Auf der anderen Seite des Spektrums standen Vansittarts natürliche Feinde, die<br />

Appeasement-Politiker um Premierminister Neville Chamberlain. Von seiner<br />

Herkunft her war dieser der alten diplomatischen Schule verbunden, und er hielt<br />

nichts von vulgärpsychologischen Pauschalismen über die Seele eines Volkes. Er<br />

war überzeugt, Hitler am Verhandlungstisch zum Einlenken zu bringen, und so<br />

präsentierte er das Münchner Abkommen vom September 1939 der britischen<br />

Öffentlichkeit triumphierend als Beweis. Zwei Jahre zuvor hatte Chamberlain dem<br />

Querschießen aus dem Foreign Office einen Riegel vorzuschieben versucht, indem<br />

er Vansittart als Unterstaatssekretär ersetzt und einige seiner Anhänger („Van’s<br />

Boys“) kaltstellen ließ. 211 Als jedoch im Laufe des Jahres 1939 Hitler immer<br />

rücksichtsloser agierte, wechselte der Premier den Kurs und erklärte Deutschland<br />

nach dem Überfall auf Polen den Krieg. Gleichzeitig aber machte er klar, dass es<br />

ein Krieg gegen Hitler und seine Nazi-Kamarilla war, nicht jedoch gegen das<br />

deutsche Volk: „We have no quarrel with the German people except that they<br />

209<br />

Vansittarts Kollege Cardogan, PRO/FO 371/22986, zit. n. Kettenacker, The Planning of „<strong>Re</strong>-<br />

Education“, S. 61.<br />

210<br />

PRO/FO 371/30958, zit. n. Günter Pakschies, <strong>Re</strong>-<strong>education</strong> und die Vorbereitung der britischen<br />

Bildungspolitik während des Zweiten Weltkriegs, in: Manfred Heinemann (Hg.), Umerziehung und<br />

Aufbau. Die Bildungspolitik der Besatzungsmächte in Deutschland und Österreich, Stuttgart 1981<br />

(= Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für<br />

Erziehungswissenschaft, Bd. 5), S. 105.<br />

211<br />

Zu den Machtkämpfen zwischen <strong>Re</strong>gierung und Foreign Office in der Zwischenkriegszeit vgl.<br />

Pronay, ‘To Stamp out the Whole Tradition’, S. 15 ff.<br />

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