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Re-education durch Rundfunk - repOSitorium - Universität Osnabrück

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„Nachtprogramm“ wollten Schnabel und Schüddekopf bewusst keine<br />

Massenunterhaltung bieten, sondern einen Raum schaffen für den intellektuellen<br />

Diskurs in Deutschland, für geistige und kulturelle Standortbestimmungen, wofür<br />

im laufenden Tagesprogramm kein Platz war. 538 Im Gegensatz zu Schnabel<br />

produzierte Schüddekopf selbst eher sporadisch und verstand sich in erster Linie<br />

als Ideengeber und Anreger. 539<br />

Die auffälligste Gemeinsamkeit dieser Gründergeneration des neuen <strong>Rundfunk</strong>s<br />

unter britischer Besatzung – die sich selbst gerne als „die Männer der ersten<br />

Stunde“ bezeichneten - war das landsmannschaftliche Moment. Eggebrecht, von<br />

Zahn, Schnabel, Bamm waren alle sächsischer Herkunft, Schüddekopf kam aus<br />

dem benachbarten Thüringen. Zum großen Teil kannten sie sich untereinander<br />

schon aus Jugendzeiten, nach dem Krieg fanden sie bemerkenswert rasch bei<br />

Radio Hamburg zusammen. Es war offensichtlich, dass diese Männer das<br />

Informations- und Machtvakuum im fremdbesetzten Sender nutzten, um unter<br />

dem Schutz und z.T. im Windschatten des britischen Besatzungsregimes ihr<br />

eigenes Netzwerk von Gleichgesinnten zu etablieren. Zwar hat Ernst Schnabel<br />

später dieser Vermutung widersprochen:<br />

„Das war überhaupt keine Frucht der Machenschaften von Peter von Zahn oder<br />

von uns. Sondern das war der Geschmack der Engländer. [...] Warum sie so viele<br />

Schriftsteller erwischt hatten, weiß ich nicht. Normalerweise hätten sie nach ihrem<br />

eigenen englischen Geschmack wahrscheinlich mehr Journalisten genommen. Aber<br />

538 Zum Nachtprogramm vgl. die Studie von Monika Boll, Nachtprogramm. Intellektuelle<br />

Gründungsdebatten in der frühen Bundesrepublik, Münster 2004 (= Kommunikationsgeschichte,<br />

Bd. 19); Axel Schildt, Elitäre Diskurse zur Nachtzeit – „Zeitgeist“-Tendenzen im Nachtprogramm<br />

und im Dritten Programm des Nordwestdeutschen und Norddeutschen <strong>Rundfunk</strong>s, in: ders.,<br />

Zwischen Abendland und Amerika. Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre,<br />

München 1999, S. 83-110. Der Modellcharakter des NWDR-Nachtprogramms schlug sich später in<br />

vergleichbaren westdeutschen Programmangeboten wie „Abendstudio“ (Radio Frankfurt bzw.<br />

Hessischer <strong>Rundfunk</strong>) oder „Radioessay“ (Süddeutscher <strong>Rundfunk</strong>) nieder.<br />

539 Siegfried Lenz, ein Kollege aus der gemeinsamen Frühzeit des NWDR-Programms, schrieb über<br />

Schüddekopf: „Er praktizierte die Ansicht, dass sich ein Publizist vornehmlich um den<br />

publizistischen Nachwuchs zu kümmern habe.“, in: Die ZEIT, 10/1962.<br />

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