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Re-education durch Rundfunk - repOSitorium - Universität Osnabrück

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Auge sticht dabei der Detailreichtum, mit der in dieser Phase kleinste<br />

Beobachtungen ausgedeutet wurden, wo<strong>durch</strong> die Berichte oft zu mehrseitigen<br />

Journalen anschwollen – nachdem zuvor im Schriftverkehr jahrelang britische<br />

Kargheit und Klarheit geherrscht hatten. Der Zug ins Epische war der<br />

zunehmenden Ratlosigkeit geschuldet, mit der die Briten dem krisenhaften<br />

Abdriften des NWDR gegenüber standen. Die neue Protokollwut war eine<br />

Machtersatzhandlung infolge der Abgabe interventionistischer<br />

Kontrollbefugnisse. 754<br />

Im Fokus stand in den meisten Fällen die Person Adolf Grimmes, der als deutscher<br />

Generaldirektor die Amtsgeschäfte des britischen Hauptcontrollers Hugh Carleton<br />

Greene übernommen hatte. Im Sinne der Umerziehungsstrategie war Grimme für<br />

die Briten eine rationale Wahl. Nicht nur war er als Gegner des NS-<strong>Re</strong>gimes<br />

bekannt, sondern als niedersächsischer Kulturpolitiker hatte er bereits vor dem<br />

Dritten <strong>Re</strong>ich sein Augenmerk auf den <strong>Rundfunk</strong> als erzieherisches Medium<br />

gewandt: „Er wendet sich an alle. Deshalb steht im selben Augenblick, wo das Ziel<br />

einer eigengesetzlichen <strong>Rundfunk</strong>-Kunst erreicht ist, der <strong>Rundfunk</strong> im System der<br />

Mittel der Volkserziehung an erster Stelle.“ 755 Als Bildungspolitiker war Grimme<br />

nach dem Krieg der Überzeugung, dass der <strong>Rundfunk</strong> ein ideales Instrument zur<br />

politischen Neuorientierung des Volkes war. Umerziehung war für ihn eine<br />

Notwendigkeit, nicht wie für die Mehrheit der Deutschen eine skandalöse<br />

Zumutung. Grimme stand in Übereinstimmung mit den wichtigsten Dogmen der<br />

britischen <strong>Re</strong>-<strong>education</strong>-Theoretiker: der aktiven politischen Teilnahme, der<br />

Selbsterziehung der Deutschen <strong>durch</strong> Deutsche, der Verantwortlichkeit für das<br />

Nazi-Erbe. Als Vertreter des Sachgebiets Erziehung im Zonenbeirat der britischen<br />

Besatzungszone (Zonal Advisory Council) kämpfte er in langen <strong>Re</strong>feraten um den<br />

Stellenwert der gesellschaftlichen Umerziehung und Demokratisierung angesichts<br />

754 Zum Begriff der „Machtersatzpolitik“ der Briten nach 1945 vgl. Kettenacker, Krieg zur<br />

Friedenssicherung, S. 517 ff.; ders., Großbritannien und die zukünftige Kontrolle Deutschlands, S.<br />

28 ff.<br />

755 Adolf Grimme, Ansprache des Herrn Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Grimme<br />

beim <strong>Rundfunk</strong>-Tee im Ministerium am 26. Januar 1931, S. 3, in: Materialsammlung 50 Jahre<br />

<strong>Rundfunk</strong>, StAHH/NDR 621-1/1258.<br />

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