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Re-education durch Rundfunk - repOSitorium - Universität Osnabrück

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war in der britischen Öffentlichkeit ein jahrzehntelanger Diskurs über den<br />

deutschen Nationalcharakter vorangegangen, in dessen Mittelpunkt das<br />

Bedrohungspotenzial der unberechenbaren Mittelmacht für die Sicherheit<br />

Großbritanniens stand. Die Grundsatzfrage nach dem Umgang mit dieser<br />

Bedrohung bildete den Pol, um den herum sich ein weites Spektrum von konträren<br />

Strategien entfaltete, von der konsensorientierten Befriedung im Stile<br />

Chamberlains („Appeasement“) bis zur rigorosen Unterwerfungsrethorik eines<br />

Vansittart. Die Kompromissformel fanden die Planungsbehörden schließlich in der<br />

Idee der Umerziehung, die unter dem Einfluss der neukonzipierten<br />

psychologischen Kriegsführung und vor dem Hintergrund der traditionellen<br />

britischen Erziehungsphilosophie einen eher subtilen politischen Mentalitätswandel<br />

der Deutschen unter britischer Anleitung nach dem militärischen Sieg postulierte.<br />

Langfristige außenpolitische Sicherheit war und blieb dabei in der britischen<br />

Deutschlandpolitik das Leitmotiv. Ein demokratisches Deutschland, so die<br />

Grundüberlegung, war ins System der westlichen Demokratien integrier- und<br />

damit kontrollierbar und bei funktionierender Gewaltenteilung nicht mehr so<br />

anfällig für den fatalen Hang zur Kriegstreiberei.<br />

Die nun folgende Entwicklung eines Mittel- und Zielsystems im Konzept der <strong>Re</strong>-<br />

<strong>education</strong> blieb allerdings nicht ohne eine schwer aufzulösende<br />

Widersprüchlichkeit. Eine funktionierende Demokratie in Deutschland setzte<br />

langfristig Selbständigkeit voraus. Die permanente politische Bevormundung der<br />

Deutschen entsprach weder der britischen Vorstellung von Demokratie noch ihrer<br />

Absicht, sich nur so lange wie nötig auf dem Kontinent zu engagieren. Daher<br />

entwickelten die Nachkriegsplaner das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe zu einer<br />

Kernmaxime der britischen <strong>Re</strong>-<strong>education</strong>-Politik. Demokratische Institutionen und<br />

Mechanismen sollten zwischen Besatzern und Besiegten abgestimmt werden,<br />

deren Ausübung mussten die Menschen selbst lernen. Damit jedoch wohnte der<br />

britischen Umerziehungspolitik eine zwangsläufige Ambivalenz inne: Einerseits<br />

wollte man in Sicherheit vor dem deutschen Militarismus leben und dazu das<br />

westliche Demokratiemodell installieren, andererseits musste man dafür die<br />

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