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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Der aufhaltsame Abstieg 9<br />

rechtliche Regulierung von Arbeitsverhältnissen z. B. durch Flächentarifverträge<br />

zu unterlaufen oder gar unmöglich zu machen. Die Globalisierungsthese besagt,<br />

dass mit der zunehmenden Internationalisierung der Produktion die Grenzen nationalstaatlicher<br />

Regulierung des Systems der Arbeitsbeziehungen erreicht seien.<br />

Michael Wendl sagt richtig: »Beiden Thesen ist gemeinsam, […] dass sie in der<br />

Konsequenz einen tarifpolitischen Fatalismus vorschlagen.« Die Tarifpolitik habe<br />

bis zum Preis der Selbstaufgabe das nachzuvollziehen, was aus der Transformation<br />

bzw. aus der Globalisierung für die Regelung der Arbeitsverhältnisse scheinbar<br />

zwangsläufig folgt. 5<br />

Beide Theoreme haben jedoch ein wahres Element: Der Rückgang der industriellen<br />

Arbeitsplätze und das weitgehende Verschwinden einzelner Industriezweige<br />

(z. B. des Bergbaus) mit traditionell hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad<br />

und das Entstehen eines großen neuen Dienstleistungssektors hat die<br />

Gewerkschaften zunächst sicher geschwächt. Auch die Liberalisierung der Finanzmärkte<br />

nach dem Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse 1973,<br />

die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes, die Entstehung der Eurozone<br />

und andere internationale Abkommen zur Öffnung der Weltmärkte erleichterten<br />

die Bewegung von Kapital, nicht nur von Waren. Dies trifft aber für den gesamten<br />

öffentlichen Dienst, für den Einzelhandel, für Gaststätten und viele andere<br />

Bereiche nicht zu. Auch große kapitalintensive Anlagen können nicht einfach<br />

verlagert werden – oder die Verlagerung braucht einen langen Zeitraum. 2012<br />

hatten acht Prozent aller Unternehmen an Produktionsverlagerungen teilgenommen;<br />

bei reinen »kostenbedingten« Verlagerungen kommt es häufig zur Rückkehr.<br />

Sehr häufig wurde mit der Produktionsverlagerung gedroht, um Belegschaften,<br />

Betriebsräte und Gewerkschaften zu erpressen.<br />

Der wichtigste neue Faktor, der die Gewerkschaften in die Defensive zwang,<br />

war die Rückkehr der zyklischen Konjunkturkrisen, die über 30 Jahre lang weitgehend<br />

verschwunden waren. Mit der Rückkehr der Krisen kehrte auch die Massenarbeitslosigkeit<br />

zurück und mit den Krisen erhöhte sich der internationale<br />

Konkurrenzdruck auf die einzelnen Marktteilnehmer.<br />

Innerhalb von etwa 20 Jahren nach Ausbruch der ersten großen Nachkriegskrise<br />

1973 setzte sich in den Gewerkschaften – sowohl auf zentraler wie auch auf<br />

betrieblicher Ebene – ein neuer Krisenkorporatismus durch. Damit ist eine weitgehende<br />

Übernahme der betriebswirtschaftlichen Argumentation der Kapitalseihabe,<br />

die es den Gewerkschaften erlaubt hätte, ein hohes Lohnniveau durchzusetzen. Eine solche<br />

Partnerschaft hat es in den 1920er und 1930er Jahren aber nirgends gegeben. Erst mit dem<br />

langen Aufschwung, der durch den zweiten Weltkrieg ausgelöst wurde, erlangten die Gewerkschaften<br />

eine größere Durchsetzungsfähigkeit. Höhere Löhne waren nicht die Ursache, sondern<br />

die Folge des langen Booms nach 1945.<br />

5<br />

Michael Wendl, »Jenseits des Tarifgitters, Krise und Erosion des Flächentarifvertrags in Deutschland«,<br />

S. 545

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