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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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40 Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung<br />

schiedene Discounter innerhalb von 10 Minuten erreichen.« 15 Der Marktanteil<br />

am Lebensmittelkonsum allein der Discounter liegt bei über 40 Prozent. Damit<br />

entsteht ein hochkomplexes System, bei dem alle Räder ineinandergreifen müssen.<br />

Jeden Tag müssen Lebensmittel frisch angeliefert werden. Die großen Ketten<br />

achten genau auf die Kundenströme und organisieren den Personalbestand<br />

dementsprechend. Auch hier haben Beschäftigte objektiv an Produktionsmacht<br />

gewonnen. Früher, meist in Familienbetrieben organisierte Beschäftigung mit direkter<br />

Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber ist Riesenkonzernen mit hunderttausenden<br />

Beschäftigten gewichen, wo insbesondere diejenigen, die die Versorgungslogistik<br />

kontrollieren (Lager, Transport, Verwaltung und Abrechnung der<br />

Warenströme) enorme Produktionsmacht besitzen.<br />

Viertens gibt es Restrukturierungen in Unternehmen, wie Privatisierungen<br />

oder die Einführung von internen Marktmechanismen, die oft bewusst dazu eingeführt<br />

wurden, um die Gewerkschaften in diesen Bereichen zu schwächen oder<br />

Konkurrenz dort einzuführen, wo zuvor ein Monopol oder ein übergreifender<br />

Flächentarifvertrag eine Konkurrenz verhinderte.<br />

Diese Restrukturierungen haben aber oft eine widersprüchliche Wirkung auf<br />

die Machtpotenziale der Beschäftigten. Früher gab es bei der Post ein Zentrallager<br />

für Pakete in Frankfurt. Wenn dieses gestreikt hat, lag alles lahm. Heute gibt<br />

es mehrere regionale Lager, die im Zweifelsfall auch untereinander aushelfen<br />

könnten, sollte eines ausfallen. Die alte Machtposition des Zentrallagers besteht<br />

also nicht mehr. Das Lager ist jetzt nur noch eines von mehreren.<br />

Allerdings ist es mittlerweile so, dass alles über ein Barcodesystem ausgeliefert<br />

wird. Wenn dieses ausfällt, etwa durch einen Streik beim IT-Service, bricht sofort<br />

das gesamte System zusammen.<br />

Solche Neuzusammensetzungen der Produktionsmacht gibt es viele, auch dort,<br />

wo man sie nicht vermutet: In Krankenhäusern gab es noch Anfang der 1990er<br />

Jahre Tagespauschalen für jeden Patienten. Die Liegezeiten waren fast doppelt so<br />

lang. Wenn Krankenhäuser bestreikt wurden, dann ist der Arbeiterbereich (Kantine,<br />

Wäscherei etc.) in den Streik getreten und die Beschäftigten in der Pflege<br />

sind auf Sonntagschicht ausgedünnt worden. Die Patienten waren da und konnten<br />

auch nicht verlegt werden. Der ökonomische Schaden für den Arbeitgeber<br />

war gleich null. Der Streik hatte eher eine politische Bedeutung.<br />

Heutzutage bedeutet das DRG-System, dass jede Leistung einzeln mit einer<br />

Fallpauschale belegt wird. Die Liegezeiten haben sich halbiert, so dass Patienten<br />

schneller entlassen werden (bis hin zur sog. »blutigen«, vorzeitigen Entlassung).<br />

Wenn jetzt aber Pflegekräfte streiken und per Notdienstvereinbarung Operationen<br />

oder Patienten(neu)belegung verhindern, dann hat dies einen enormen Ef-<br />

15<br />

Axel Springer Marktanalyse: Trend topic, September 2012. 13 Seiten, S. 5

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