MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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114 Gewerkschaften bei Marx und Engels<br />
nis eines Komplotts, sondern entspringt aus der Natur der Gewerkschaften und<br />
der Beschränktheit ihrer Aufgaben. Führung und Basis stehen dabei nicht in einem<br />
mechanischen Gegensatz, sondern in einem dialektischen Verhältnis zueinander.<br />
Ein entscheidender Faktor in diesem Feld ist das Einwirken politischer<br />
Strömungen.<br />
Engels bemerkte 1878 im Zusammenhang mit der deutschen Gewerkschaftsbewegung:<br />
»Ein großer Vorteil für die deutsche Bewegung ist, dass die Gewerkschaftsorganisation<br />
mit der politischen Organisation Hand in Hand arbeitet. Die<br />
unmittelbaren Vorteile, die die Gewerkschaften gewähren, ziehen viele sonst<br />
Gleichgültige in die politische Bewegung hinein, während die Gemeinsamkeit der<br />
politischen Aktion die sonst isolierten Gewerkschaften zusammenhält und ihnen<br />
gegenseitige Unterstützung gewährleistet.« 28<br />
Engels spricht hier die Frage der Zusammensetzung der Gewerkschaften an.<br />
Es liegt in ihrer Natur, dass sie möglichst viele Arbeiter gewinnen wollen, unabhängig<br />
davon, was diese Arbeiter politisch denken oder ob es sich bei ihnen um<br />
»Gleichgültige« handelt. Insofern kann die Gewerkschaft in Zeiten, in denen die<br />
Mehrheit der Arbeiter nicht revolutionär ist, auch nicht revolutionär aufgestellt<br />
sein. Dieses Manko wurde in Deutschland durch die enge Verzahnung der Gewerkschaften<br />
mit einer revolutionären Strömung unter August Bebel und Wilhelm<br />
Liebknecht kompensiert, die 1869 aus den Gewerkschaften heraus entstanden<br />
und später in der Sozialdemokratischen Partei aufgegangen war. Für Engels<br />
war die bewusste Intervention durch revolutionäre Sozialisten in die Angelegenheiten<br />
der Gewerkschaften ein historischer Vorteil – für beide, für Partei und<br />
Gewerkschaften, im gemeinsamen Interesse.<br />
Doch eine solche Konstellation besteht nicht zu allen Zeitpunkten und an allen<br />
Orten. Insbesondere bestehen in vielen entwickelten kapitalistischen Staaten nur<br />
ausnahmsweise starke revolutionäre Arbeiterparteien, die die Politik der Gewerkschaften<br />
in ihrem Wesen beeinflussen. Das führt dazu, dass Gewerkschaften sich<br />
in der Regel wesentlich auf das beschränken, was ihre Mitglieder unmittelbar<br />
eint, nämlich die Vertretung ihrer materiellen Interessen. Treffend drückte der<br />
russische Revolutionär Leo Trotzki diesen Umstand in den 30er Jahren des 20.<br />
Jahrhunderts so aus: »Die Gewerkschaften umfassen die breitesten Massen der<br />
Arbeiter mit den unterschiedlichsten Niveaus. Je breiter diese Massen sind, umso<br />
näher ist die Gewerkschaft an der Erfüllung ihrer Aufgabe. Aber was die Organisation<br />
in der Breite gewinnt, verliert sie unweigerlich an Tiefe. Opportunistische,<br />
nationalistische, religiöse Tendenzen in den Gewerkschaften und ihrer Führung<br />
drücken die Tatsache aus, dass die Gewerkschaften nicht nur die Vorhut, son-<br />
28<br />
Engels, »Die europäischen Arbeiter im Jahre 1877«, MEW, Bd. 19, S. 120.