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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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324 Zu Theorie, Geschichte und Funktion des Rassismus<br />

versklavten Menschen zu belegen, die sie zu nicht-weißen Rassen erklärten. Dieser<br />

»Farb-Rassismus«, der sich auf die 1735 publizierte Einteilung der Menschheit<br />

in »Weiße«, »Rote«, »Gelbe« und »Schwarze« durch Carl Linneaus stützen<br />

konnte und von Immanuel Kant ein halbes Jahrhundert später in der »Physischen<br />

Geographie« systematisiert wurde, kann nur im Kontext von Kolonialismus<br />

und Sklaverei verstanden werden. 16<br />

Volkhards Argument geht jedoch weit über diese Aussage hinaus. Er identifiziert<br />

diesen historisch spezifischen Farbrassismus mit Rassismus insgesamt. Diese<br />

Identifikation ist aber nur dann zulässig, wenn wir davon ausgehen, dass Rassismus<br />

auf den Begriff der (Menschen-)Rasse und dessen Systematisierung zu einer<br />

kohärenten, wissenschaftlich-philosophischen Doktrin angewiesen ist. Letzteres<br />

fand tatsächlich erst im Europa des 18. Jahrhunderts statt, auch wenn der<br />

Begriff der Rasse bereits im Westeuropa des 16. Jahrhunderts zur Unterscheidung<br />

zwischen Menschen »hoher« und »niedriger« Abstammung verwendet wurde.<br />

Hier zeigt sich eine entscheidende Inkonsistenz in der von Volkhard vertretenen<br />

These. Er akzeptiert einerseits, dass es einen »Rassismus ohne Rassen« nach<br />

1945 gibt. 17 Konsequenterweise müsste das, wie von Miles gefordert und oben<br />

dargestellt, bedeuten »die konzeptionelle Verknüpfung zwischen Rassismus und<br />

dem Diskurs der ›Rasse‹ aufzubrechen«. Wenn aber Rassismus nicht auf den<br />

»Diskurs der Rasse« angewiesen ist, gibt es keinen Grund, seine Entstehung mit<br />

der Entstehung des modernen Rassendiskurses gleichzusetzen.<br />

Dieses Argument wird in der deutschsprachigen Debatte unter anderem von<br />

Wulf D. Hund überzeugend vertreten. Er formuliert dies so: »Wenn der Begriff<br />

der Rasse keine conditio sine qua non rassistischer Diskriminierung ist und sich außerdem<br />

aus soziokulturellen Anfängen heraus zu einer biologisch-anthropologischen<br />

Kategorie entwickelt hat, dann muss gefragt werden, ob es nicht auch vor<br />

deren Verwendung einen kulturalistischen Rassismus gegeben hat und inwieweit<br />

sie nicht auch selbst immer kulturalistisch unterlegt war«. 18<br />

Diese Frage wird von Hund energisch bejaht. Es gab und gibt, so argumentiert<br />

er, Rassismus »vor, mit, nach und ohne ›Rassen‹«. 19 Kern rassistischer Ideologien<br />

ist nicht die Rede von »Menschenrassen« – wäre dem so, wäre beispielsweise der<br />

antimuslimische Rassismus gar keiner – sondern die Konstruktion von »unterschiedliche[n]<br />

Grade[n] des Menschseins«, die als »wesenhaft«, natürlich oder<br />

quasi-natürlich, postuliert werden und deren Funktion in der Legitimierung von<br />

16<br />

Hannaford, Ivan Race. The History of an Idea in the West, Baltimore 1996, S. 203f.<br />

17<br />

Mosler S. 39.<br />

18<br />

Hund, Wulf D. Rassismus, Bielefeld 2007, S. 12.<br />

19<br />

Hund, Wulf D. »Vor, mit, nach und ohne ›Rassen‹. Reichweiten der Rassismusforschung«, in:<br />

Archiv für Sozialgeschichte, Nr. 52, 2012, S. 723-761.

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