MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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194 Das Potenzial der weiblichen Arbeiterklasse<br />
erleichterten Frauen eine Scheidung. Auch bezüglich Kinderbetreuung hat sich<br />
etwas getan, so wurden im Jahr 2011 27 Prozent aller Kinder unter drei Jahren<br />
betreut, für das Alter 3 bis 4 Jahre waren es 80 Prozent – so viele wie noch nie in<br />
(West-)Deutschland.<br />
Gesetzliche Änderungen reflektieren den Wandel und verstärken ihn. So wurde<br />
beispielsweise am 18. August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verabschiedet,<br />
dessen Ziel es ist, »Benachteiligungen aus Gründen ethnischer Herkunft,<br />
des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung,<br />
des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.« 2<br />
Vieles, was vor ein oder zwei Generationen noch undenkbar war, ist heute<br />
selbstverständlich. So hat die aktive Einbindung von Frauen in Produktionsverhältnisse<br />
unser Verständnis von »Gleichberechtigung« auf vielfältige Weise beeinflusst.<br />
Clara Zetkin formulierte in diesem Sinne bereits 1889 in ihrer Rede »Für<br />
die Befreiung der Frau« auf dem Internationalen Arbeiterkongress in Paris: »Die<br />
Frage der Frauenemanzipation, das heißt in letzter Frage der Frauenarbeit, ist<br />
eine wirtschaftliche.« 3<br />
Doch ein Ende der Frauenunterdrückung ist nicht sichtbar. Zwar ist viel in den<br />
letzten Jahrzehnten passiert, doch die bloße Tatsache, dass nun mehr Frauen als<br />
früher über ein eigenes Arbeitseinkommen verfügen, heißt noch nicht, dass sie<br />
vollständig gleichberechtigt wären. Frauenunterdrückung ist immer noch alltäglich,<br />
wie vor allem die neu entstandenen sozialen Bewegungen aufzeigen, wenn<br />
sie weltweit gegen sexualisierte Gewalt und Sexismus auf die Straße gehen. Allein<br />
in Deutschland berichteten seit Rainer Brüderles Entgleisungen 4 Zehntausende<br />
Frauen auf twitter unter dem Hashtag #aufschrei über die alltäglichen<br />
Formen von Sexismus, denen sie immer wieder begegnen. Die Bandbreite der<br />
dort geschilderten Erfahrungen ist groß. Doch demonstrieren sie alle eine Tatsache:<br />
das Herabsetzen des weiblichen Geschlechts, sei es durch direkte Gewaltanwendung<br />
oder durch sexistische Sprüche, ist immer noch Teil der Lebenswelt<br />
vieler Frauen. Sexismus kann in diesem Kontext jedoch nicht losgelöst von der<br />
Tatsache gesehen werden, dass Frauen eine untergeordnete Position in Klassengesellschaften<br />
einnehmen. Ideologien, welcher Art auch immer, bauen immer<br />
auf materiellen Bedingungen auf. Karl Marx analysiert dies in seiner Theorie des<br />
2<br />
Webseite des Bundesministeriums der Justiz unter:<br />
http://www.gesetze-im-internet.de/agg/index.html; aufgerufen am 22.02.<strong>2013</strong><br />
3<br />
Zetkin, Clara: Für die Befreiung der Frau, in: Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. I, Berlin<br />
1957, S. 3–11.<br />
4<br />
Ende Januar <strong>2013</strong> löste der im Stern erschienene Artikel »Der Herrenwitz« der Journalistin Laura<br />
Himmelreich eine breite, über das dem Artikel zugrundeliegende Ereignis hinausgehende Sexismus-Debatte<br />
in der deutschen Öffentlichkeit aus. Die Journalistin warf darin Brüderle vor, ihr<br />
ein Jahr zuvor verbal zu nahe getreten zu sein. Nachlesbar unter: Laura Himmelreich: Der Her -<br />
renwitz. stern.de, 1. Februar <strong>2013</strong>, abgerufen am 15. Februar <strong>2013</strong>.