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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung 55<br />

enproduktion (Autos, Fernseher) – von der bürgerlichen Presse wurden die<br />

Streiks auch »Ausländerstreiks« genannt, Marxisten sprachen dagegen vom »Aufstand<br />

der Angelernten.« 34 Die Bezeichnung »Ausländerstreiks« hat insofern auch<br />

ein Element von Wahrheit, da in manchen Bereichen der Massenproduktion der<br />

Ausländeranteil damals bei 90 Prozent lag, in der Autozulieferer- und in der<br />

Elektroindustrie waren die Streiks beides, weiblich und migrantisch.<br />

Die Streiks der 1970er Jahre sind insgesamt durch starkes Selbstbewusstsein<br />

und hohe Mobilisierung und Aktivierung der Mitglieder gekennzeichnet. Dieses<br />

Selbstbewusstsein kam gerade auch in den spontanen Streiks des Jahres 1973<br />

zum Ausdruck. Im Vergleich zu den Septemberstreiks 1969 waren diese breiter<br />

und erfassten vor allem die unteren Schichten der Arbeiterklasse stärker. Die Gewerkschaftsführungen<br />

und viele der Betriebsräte verhielten sich ausgesprochen<br />

feindselig. In einem Teil der Betriebe (z. B. Stahlindustrie) waren die Vertrauensleutekörper<br />

die Organisatoren und das Zentrum des Streiks, in anderen Betrieben,<br />

wo die Vertrauensleutekörper noch unter der Kontrolle rechter Betriebsräte<br />

standen, kam es zur Bildung von spontan in Massenversammlungen gewählten<br />

Streikleitungen (Hella, Pierburg). Die Entstehung solcher neuer Organisationsformen<br />

waren Ausdruck davon, dass gerade die »Massenarbeiter« mit ihrem hohen<br />

Anteil an Frauen und Ausländern sich mit ihren Interessen in den Betriebsräten<br />

und Vertrauenskörpern kaum vertreten sahen.<br />

Die anschwellenden Arbeitskämpfe ließen die offiziellen gewerkschaftlichen<br />

Organisationsformen nicht unberührt. In vielen Bereichen der IG Metall, der IG<br />

Chemie, der ÖTV entwickelten sich die Vertrauensleute zu eigenständigen,<br />

selbstbewusst handelnden Körpern. Vertrauensleute sind die unterste Vertretungsebene<br />

der Gewerkschaften in den Betrieben. Die IG Metall (und andere)<br />

waren mit der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 aus den Betrieben<br />

bedrängt worden, der Organisationsgrad ging kontinuierlich zurück. Dadurch<br />

wurde der verstärkte Aufbau und Ausbau von gewerkschaftlichen Vertrauensleutekörpern<br />

neben den Betriebsräten für die Industriegewerkschaften zu<br />

Notwendigkeit. 35 Außerdem entwickelten gerade die Betriebsräte der Großbetriebe<br />

in den 1950er und 1960 Jahren eigene Machtbastionen durch das Aushandeln<br />

von nicht tariflich gesicherten Sozialleistungen und Löhnen. Versuche der IG<br />

Metall, die übertariflichen Löhne durch eine »betriebsnahe Tarifpolitik« abzusiin<br />

den Industrien mit Großserienproduktion. Die Massenarbeiter litten unter niedrigen Löhnen<br />

bei zugleich großer Entfremdung und Arbeitstempo der Fließbandarbeit.<br />

34<br />

Vgl. Volkhard Mosler »Der Aufstand der Angelernten«, Klassenkampf (erste Serie), Oktober<br />

1973<br />

35<br />

Vgl. hierzu Eberhard Schmidt, Die Auseinandersetzung um die Rolle der Vertrauensleute in der<br />

IG Metall,, Kritisches Jahrbuch ’74, S.130

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