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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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204 Das Potenzial der weiblichen Arbeiterklasse<br />

Jahr 1872 352 Streiks und Aussperrungen mit 109.000 Beteiligten. Und nach der<br />

Bauwirtschaft war die stark weiblich geprägte Textilindustrie in der ersten Hälfte<br />

des Jahrzehnts die Branche mit den zweitmeisten Ausständen – trotz ihrer<br />

schwachen gewerkschaftlichen Organisierung. 33<br />

Der gewerkschaftliche Kampf, und erst recht die Organisierung des weiblichen<br />

Teils der Arbeiterklasse, wurde abrupt gestoppt und zurückgeworfen durch die<br />

»Sozialistengesetze«, die im deutschen Kaiserreich von 1878 bis 1890 galten und<br />

dazu dienten, die 1875 gegründete Sozialdemokratie und die mit ihr verbundenen<br />

jungen Gewerkschaften zu unterdrücken. Im Jahr 1879 zählte man deutschlandweit<br />

nur noch 15 Streiks und Aussperrungen.<br />

1890–1914: Etablierung der Gewerkschaften und die »Frauendebatte«<br />

So schmerzlich die »Sozialistengesetze« für die junge Gewerkschaftsbewegung<br />

und die Sozialdemokratische Partei waren, so wenig verhinderten sie deren Aufstieg.<br />

Die ungelöste soziale Frage ließ den Stimmenanteil der SPD, die nur noch<br />

parlamentarisch tätig sein durfte, steigen. Zugleich nahmen seit Mitte der 1880er<br />

Jahre auch die Zahl der Streiks wieder zu. 1889 kam es zu großen Streikwellen,<br />

565 Streiks und Aussperrungen zählte man in diesem Jahr. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder<br />

wuchs bis zum Jahr 1890 auf über 350.000, doppelt so viel wie<br />

zwei Jahre zuvor. 34 Im selben Jahr wurden die Sozialistengesetze aufgehoben.<br />

Nach einer kurzen Durststrecke entwickelten sich in den darauffolgenden Jahren<br />

die Gewerkschaften weiter stürmisch. 1900 gab es bereits 680.000 Gewerkschaftsmitglieder,<br />

zehn Jahre später zwei Millionen (Tabelle 1). Die Zahl der geführten<br />

Streiks und Aussperrungen lag jährlich immer im vierstelligen Bereich. 35<br />

Darunter waren auch Streiks, an deren Spitze Frauen standen wie etwa der Berliner<br />

Konfektionsarbeiterinnenstreik 1895, der die gewerkschaftliche Organisierung<br />

der Frauen ein großes Stück voranbrachte. 1897 streikten Isenburger Wäscherinnen<br />

(im heutigen Rheinland-Pfalz) erfolgreich über sieben Wochen lang,<br />

1899 in Nürnberg Arbeiterinnen des Feingoldgewerbes und der Pinselindustrie –<br />

um nur einige Beispiele zu nennen. 36<br />

Enger Bündnispartner in dieser Entwicklung war die junge SPD, in der es damals<br />

einen starken revolutionären Flügel gab. Auf ihrem Erfurter Parteitag 1891<br />

verankerte sie in ihrem Programm als erste politische Kraft in Deutschland die<br />

Forderung nach einem allgemeinen Wahlrecht »ohne Unterschied des Geschlechts«.<br />

Um die Frauenagitation zu verstärken, rief sie zugleich unter der Lei-<br />

33<br />

Boll, Friedhelm: Arbeitskämpfe und Gewerkschaften in Deutschland, England und Frankreich,<br />

Kassel 1992, S. 403, 635.<br />

34<br />

Ebd., S. 635.<br />

35<br />

Ebd.<br />

36<br />

Bauer, Karin: Clara Zetkin und die proletarische Frauenbewegung, Berlin 1978, S. 121f. und<br />

Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S. 96.

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