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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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280 Die Klassenkämpfe in Europa<br />

nem System zusammenprallten, das ab Ende der 1960er Jahre nicht länger in der<br />

Lage war, den gestiegenen Erwartungen zu entsprechen, brach sich das in den<br />

langen Jahren des Aufschwungs entstandene Potenzial für einen revolutionären<br />

Ausbruch Bahn. Erst Ende der 1970er Jahre konnten sich die bürgerlichen Institutionen<br />

weitgehend wieder festigen, sozialdemokratische und stalinistische Organisationen<br />

machten sich daran, die Radikalität einzufangen und in kontrollierbare<br />

Kanäle zu lenken, und der revolutionäre Aufschwung konnte wieder eingedämmt<br />

werden. 38<br />

Der Vorlauf zu der gegenwärtigen Krise gestaltete sich jedoch völlig anders<br />

und war keineswegs eine Zeit des Aufschwungs oder ein »goldenes Zeitalter« des<br />

Reformismus. Doch auch hier haben sich neue Klassenkräfte entwickelt, die all<br />

die Pessimisten in Verwirrung stürzen, die Arbeitskämpfe schon zu einer Sache<br />

der Vergangenheit erklärt hatten. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die besondere<br />

Rolle der öffentlich Beschäftigten in den gegenwärtigen europäischen Streiks.<br />

Moderne kapitalistische Gesellschaften beruhen nicht einfach nur auf der direkten<br />

Ausbeutung produktiver Arbeiterinnen und Arbeiter zur Erzeugung von Profit,<br />

sondern benötigen auch den Zugriff auf eine Vielzahl »unproduktiver« Arbeitskräfte,<br />

um ihren Bedarf an produktiven Arbeitskräften zu decken. Die Kapitalisten<br />

benötigen ein Gesundheits- und Bildungssystem, um im Konkurrenzkampf<br />

der globalen Arbeitsteilung durch die Ausbeutung qualifizierter, relativ<br />

gesunder und verlässlicher Arbeiter bestehen zu können. Die Infrastruktur und<br />

das sichere Umfeld, das Regierungen zur Verfügung stellen, sind für Kapitalisten<br />

ebenso wichtig wie die öffentlich Bediensteten, die die Steuern eintreiben und<br />

zum Funktionieren des gesamten Systems beitragen.<br />

Die Tatsache der Ausweitung des öffentlichen Dienstes und des Dienstleistungssektors<br />

im Allgemeinen bedeutet nicht, dass wir den Mythos von der umfassenden<br />

»Deindustrialisierung« glauben müssen. Der Großteil der Industrieproduktion<br />

befindet sich nach wie vor in den wohlhabenden OECD-Ländern,<br />

wenn sie heute auch mit weniger Arbeitern stattfindet. Aufgrund der in den letzten<br />

Jahrzehnten gestiegenen Produktivität können tatsächlich relativ kleine<br />

Gruppen von Arbeitern, die vielleicht auch noch in multinationale Produktionsnetze<br />

eingebunden sind, unverhältnismäßig großen Einfluss auf kapitalistische<br />

Profite nehmen. Zugleich hat es auch eine Zunahme von Arbeitsplätzen im<br />

Dienstleistungsbereich gegeben mit derselben Art Schinderei und Ausbeutung<br />

wie im produktiven Sektor – und damit ist auch dasselbe Organisationspotenzial<br />

entstanden.<br />

38<br />

Harman, 1979. Wie Harman betont, war hier auch ein subjektiver Faktor am Werk, nämlich das<br />

Versagen der revolutionären Linken in ganz Europa, als es darum ging, den Arbeiterbewegungen<br />

eine kohärente politische Alternative zu bieten.

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