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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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46 Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung<br />

stützen und entfalten können. Dabei zu denken, dass sowohl Beschäftigte als<br />

auch »die Öffentlichkeit« erst in einer wohl durchdachten PR-Kampagne gewonnen<br />

werden müssten, stellt die Sache auf den Kopf. Die authentische Artikulation<br />

der Beschäftigteninteressen schafft – gerade weil den Beschäftigten ihre Arbeit<br />

und die Patienten am Herzen liegen – die Grundlage einer universellen Artikulation<br />

auch allgemeiner Bürger-, Patienten- und Betroffeneninteressen. Zumindest<br />

hatten die Streikenden der Charité im Jahr 2011 keine ausgefeilte Öffentlichkeitsstrategie,<br />

sondern überzeugten sich und die Medien, die generell sehr positiv<br />

berichteten, durch ihre authentische Selbstmobilisierung.<br />

Der Streik im Nahverkehr in Baden-Württemberg 2012 ist ein weiteres Beispiel,<br />

wie Streikmacht klug mit einer guten Öffentlichkeitsarbeit verbunden werden<br />

kann. Denn in diesem Bereich gibt es ein Problem mit der traditionellen<br />

Streikstrategie. Bernd Riexinger beschreibt das folgendermaßen:<br />

Nun sind Streiks bei der Straßenbahn einerseits sehr wirkungsvoll, weil kein Bus und<br />

keine Bahn aus den Betriebshöfen rausfährt, aber sie üben keinen ökonomischen<br />

Druck auf den Eigentümer aus. Öffentliche Verkehrsbetriebe sind in der Regel Zuschussbetriebe<br />

und der kaufmännische Direktor freut sich, dass ihm die Gewerkschaft<br />

die Gehälter bezahlt, und dauert der Konflikt länger, gibt es größeren Ärger<br />

mit den Fahrgästen, die nicht zur Arbeit oder zur Schule kommen.<br />

Deswegen entwickelten die Straßenbahnfahrer eine neue Streiktaktik. Der Betriebsrat<br />

Wolfgang Hoepfner beschreibt diese Streiktaktik so:<br />

Die Fahrer haben nur tageweise gestreikt, obwohl die Kollegen zum wochenlangen<br />

Vollstreik bereit waren. Stattdessen haben wir Bereiche dauerhaft bestreikt, die den<br />

Verkehr nicht lahmlegen und den Arbeitgebern gleichzeitig finanziell wehtun. Dauerhaft<br />

gestreikt haben vor allem die Arbeiter in den Werkstätten und Kunden-Centern,<br />

die Fahrkartenkontrolleure und der Automatendienst. Dadurch konnten die Leute<br />

zwar fahren, aber oft keine Fahrkarten kaufen, und sie wussten, dass sie nicht kontrolliert<br />

werden. Außerdem sind die Automaten bald ausgefallen, weil die Münzspeicher<br />

voll waren und sie nicht gewartet wurden.« 21<br />

Auf diese Weise konnte die Streikmacht so entfaltet werden, dass sie einerseits<br />

dem Arbeitgeber empfindliche Gewinneinbußen einbrockte, die Streikkasse der<br />

Gewerkschaft schonte und gleichzeitig die Kunden und Bürger in diesem Fall<br />

möglichst mit einbezogen hat.<br />

21<br />

»Die Arbeitgeber gerieten in Panik«, Interview Wolfgang Hoepfner, Betriebsrat SSB in Stuttgart.<br />

http://marx21.de/content/view/1584/32/

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