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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Das Potenzial der weiblichen Arbeiterklasse 207<br />

Ideologisch wurde die zurückhaltende Praxis in den Gewerkschaften gestützt<br />

durch die neue Strömung des Revisionismus. Diese politische Strömung, die in<br />

der mit den Gewerkschaften eng verbundenen SPD zunehmend an Einfluss gewann,<br />

behauptete, die Widersprüche im Kapitalismus würden abnehmen, eine<br />

neue sozialistische Gesellschaft könne mittels parlamentarischer Mittel Schritt für<br />

Schritt eingeführt werden – die Perspektive eines revolutionären Umsturzes des<br />

Systems sei überholt.<br />

Dieselben Vertreter wiesen den Frauen die häusliche Sphäre zu. Edmund Fischer,<br />

ein Wortführer der Revisionisten, stellte 1905 in dem Artikel »Die Frauenfrage«<br />

die Notwendigkeit der eigenen Erwerbsarbeit der Frau für ihre Unabhängigkeit<br />

in Frage. Er schrieb, diese »sogenannte Frauenemanzipation widerstrebt<br />

der weiblichen Natur«, die Arbeiterbewegung müsse zur Kenntnis nehmen, dass<br />

die »Frauen […] geistig gegenüber den Männern im allgemeinen zurückstehen« 41 .<br />

Statt konservativen Ideen in der Arbeitsklasse entgegen zu wirken, knüpften die<br />

Revisionisten an diese an. Dies fügte sich in ihre »realpolitische« Gesamtstrategie<br />

ein, die der Selbstaktivität der Arbeiterklasse entgegengesetzt war und auf den<br />

Parlamentarismus orientierte.<br />

So war es kein Zufall, dass die führenden Vertreter der proletarischen Frauenbewegung<br />

zugleich die stärksten Widersacherinnen der neuen Revisionismus-Strömung<br />

waren. Ideologisch ging der Revisionismus mit einer Praxis der<br />

Gewerkschaftsarbeit Hand in Hand, bei der es dem entstandenen Gewerkschaftsapparat<br />

darum ging, größere Kämpfe zu vermeiden und über Verhandlungen<br />

mit der Kapitalseite die eigene Position auszubauen. Das wiederum hatte unmittelbare<br />

Auswirkungen auf die Organisierung von Frauen, die als bisher wenig<br />

organisierter Bereich nur durch aktive Auseinandersetzungen gewonnen werden<br />

konnten.<br />

Der seit Mitte der 1890er Jahre anhaltende wirtschaftliche Aufschwung schien<br />

die Argumente der revisionistischen Strömung, der Kapitalismus lasse sich Stück<br />

für Stück verändern, zu bestätigen und stützte die zurückhaltende Gewerkschaftspolitik.<br />

Die Vertreter einer kämpferischen Gewerkschaftsströmung, die<br />

für eine aktive Aufklärung und Einbeziehung der Frauen kämpften, blieben in<br />

der Minderheit. Der 1914 ausbrechende Krieg stellte allerdings alle etablierten<br />

Annahmen in Frage.<br />

1914-1933: Erster Weltkrieg, Revolution und Rollback<br />

Der Erste Weltkrieg veränderte die Arbeitswelt tiefgreifend. Die Zahl der erwerbstätigen<br />

Frauen nahm zu. Sie besetzten die Arbeitsplätze der in den Krieg<br />

eingezogenen Männer. Während der Krieg so auf barbarische Weise unter Beweis<br />

stellte, dass Frauen in vielen Bereichen der Wirtschaft ebenso wie Männer<br />

41<br />

Fischer, Edmund: Die Fragenfrage; in: Sozialistische Monatshefte 11 (1905).

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