MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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256 Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit<br />
den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit war sehr gering, die politische Wirkung<br />
war umso größer, weil sie die Gewerkschaftsbewegung gespalten hat.<br />
Die Kraftprobe der IG Metall mit dem Verband der Metallindustrie 1984 um<br />
die Einführung der 35-Stunden-Woche ist das Musterbeispiel für einen bürokratisch<br />
geführten Massenstreik 33 gewesen, weil zwar sehr viele Beschäftigte direkt<br />
als Streikende und noch mehr indirekt als Ausgesperrte am Kampf beteiligt waren,<br />
aber die Führung aus Angst vor einer Zuspitzung und einem Kontrollverlust<br />
im entscheidenden Moment keine Ausweitung zuließ.<br />
Bereits im Vorfeld der Tarifrunde wurde von der IG-Metall-Führung signalisiert,<br />
dass eine Arbeitszeitverkürzung nicht ohne Folgen für die Lohnentwicklung<br />
bleiben würde. So hatte der IG-Metall-Vorsitzende Eugen Loderer bereits<br />
im November 1982 erklärt:<br />
Wir haben keinen Anlass, von unserer in der Vergangenheit bewährten Strategie der<br />
Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich abzugehen. […] Aber wir wissen,<br />
dass ein Lohnausgleich sich bei den Kosten niederschlägt. […] Die Kosten für die<br />
Arbeitszeitverkürzung wurden schon immer von der folgenden Lohnerhöhung abgezogen.<br />
34<br />
Kurz vor Streikbeginn bot der 1983 zum Vize-Chef der IG Metall gewählte<br />
Franz Steinkühler »flexible Arbeitszeiten, auch Samstagarbeit« an. 35 Mit seiner<br />
sechswöchigen Dauer und insgesamt knapp 60.000 Streikenden und 150.000 bis<br />
180.000 »heiß« 36 Ausgesperrten, zu denen in der letzten Streikwoche noch etwa<br />
200.000 Betroffene kamen, die »kalt« ausgesperrt waren 37 , war er einer der längsten<br />
und härtesten Arbeitskämpfe in der damaligen Bundesrepublik.<br />
Die IG-Metall-Führung versuchte zu Beginn des Arbeitskampfes durch<br />
Schwerpunktstreiks eine möglichst große Wirkung mit möglichst geringem Aufwand<br />
zu erzielen, die so genannte »Mini-Max-Taktik«. Die Arbeitgeber reagierten<br />
mit Aussperrungen und die Kohl-Regierung entschied, dass die Ausgesperrten<br />
kein Arbeitslosengeld erhalten sollten, um die Gewerkschaft zu schwächen. Anstatt<br />
dieser Herausforderung mit einer Ausweitung der Streiks und durch Betriebsbesetzungen<br />
von Ausgesperrten zu begegnen, versuchte die IG Metall an<br />
ihrer Strategie festzuhalten.<br />
33<br />
Siehe dazu auch die Auseinandersetzung von Rosa Luxemburg mit dem Massenstreik in ihrer<br />
Schrift »Massenstreik, Partei und Gewerkschaften«, Hamburg 1906.<br />
34<br />
Eugen Loderer in: Wirtschaftswoche Nr. 45, 1982.<br />
35<br />
DER SPIEGEL, 10/1984, 05.03.1984; S. 29.<br />
36<br />
Als »heiß« ausgesperrt werden die bezeichnet, deren geplanter Streik durch eine vorher vorgenommene<br />
Aussperrung durch die Arbeitgeber unterlaufen wird, im Gegensatz zu den »kalt«<br />
Ausgesperrten, die mit dem Arbeitskampf nicht unmittelbar etwas zu tun haben.<br />
37<br />
Vergl.: Reinhard Bahnmüller, »Der Streik – Tarifkonflikt um Arbeitszeitverkürzung in der Metallindustrie<br />
1984«, Hamburg 1985, Seite 117 und Michael Kittner (Hrsg.), »Gewerkschaftsjahrbuch<br />
1985«, Köln 1985, S. 113.