MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit 259<br />
dir kann ich sagen, dass wir jetzt hinter dir stehen und den Kampf ausweiten werden,<br />
bis wir den Sieg in unserer Tasche haben. […] Leute, das Buch der Geschichte<br />
ist aufgeschlagen, und jetzt liegt es an euch, hier mal ein paar neue Seiten zu schreiben.<br />
Lasst die Generation, die nach uns kommt, nachlesen, wie man einen Arbeitskampf<br />
führt, wie man diesen Vorstand in die Knie zwingt. 41<br />
In den folgenden Tagen kam es zu zahlreichen Demonstrationen und zum Teil<br />
spektakulären Aktionen unter der Parole »Rheinhausen ist überall«. Am 2. Dezember<br />
1987 blockierten Stahlarbeiter die Rheinbrücke in Rheinhausen, am<br />
nächsten Tag demonstrierten 12.000 Schüler, um ihre Solidarität auszudrücken.<br />
Fünf Tage später demonstrierten 10.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes<br />
für die Stahlarbeiter. Am 9. Dezember stürmten nach einer Demonstration 3000<br />
Stahlarbeiter die »Villa Hügel« in Essen, in der gerade der Aufsichtsrat tagte.<br />
Einen Tag später wurden im Rahmen eines Aktionstages unter der Losung<br />
»Alle Räder stehen still« Straßensperren errichtet und Autobahnen blockiert. Immer<br />
wieder kam es parallel zu Arbeitsniederlegungen im Rheinhausener Stahlwerk,<br />
die dem Krupp-Konzern finanziellen Schaden zufügten, weil trotz der<br />
Stilllegungspläne noch Lieferverpflichtungen bestanden. »DER SPIEGEL« beschrieb<br />
die Ende 1987 sehr zugespitzte Situation im Ruhrgebiet:<br />
Mehr als 100.000 Stahlwerker waren im Arbeitskampf, bei Opel rückte aus Sympathie<br />
die Frühschicht mit aus und in Duisburg schlossen sich Landwirte mit Treckern<br />
an. Auf Transparenten wurde eine ganz ungewohnte Koalition verkündet: »Bauern<br />
und Arbeiter Hand in Hand«. Gleichzeitig legten in den Zechen 100.000 Bergarbeiter<br />
die Arbeit aus Protest gegen die Kohlepolitik der Bundesregierung nieder. Sie<br />
setzten die Flagge auf halbmast und zogen vor dem Bundeskanzleramt eine Mahnwache<br />
auf. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Schnoor sah sich die Lage<br />
aus der Luft im Hubschrauber an und resümierte: So einen Tag hat das Revier noch<br />
nicht gesehen. Da kann es wie Dynamit hochgehen. 42<br />
In dieser Situation bestand die Chance, alle Kräfte zusammenzuführen und sehr<br />
weitgehende Zugeständnisse zu erreichen. Doch der Versuch dazu blieb aus, weil<br />
es keine politische Kraft gab, deren Einfluss ausgereicht hätte, das umzusetzen.<br />
Der Einfluss der SPD während des gesamten Kampfes war bestimmend. Daran<br />
änderte sich auch nichts durch den Verdacht, dass die sozialdemokratische<br />
Landesregierung einer Schließung von Rheinhausen längst zugestimmt hatte und<br />
nur noch daran interessiert war, diesen Beschluss schnell umgesetzt zu sehen, um<br />
die Situation befrieden zu können. Sie handelte ganz im Sinne einer von ihr vertretenen<br />
Strukturpolitik, die Massenentlassungen akzeptierte.<br />
Die Gewerkschaft hatte sich mit den Arbeitgebern im gleichen Jahr in der<br />
»Frankfurter Vereinbarung« auf die einvernehmliche Abwicklung von Entlassun-<br />
41<br />
Dokumentiert auf: http://www.youtube.com/watch?v=88Hh_DqJA5k<br />
42<br />
DER SPIEGEL, 14.12.1987, S. 18/19.