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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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292 Die Klassenkämpfe in Europa<br />

Unitaire et Démocratique) zu zählen ist, wetteifern um die Gunst der Beschäftigten.<br />

Als Frankreich in die Krise geriet, konnte es auf eine jüngere Geschichte<br />

kämpferischer Bewegungen zurückblicken, die in erfreulichem Missverhältnis<br />

zum allgemeinen gewerkschaftlichen Organisationsgrad von unter neun Prozent<br />

stand. Im November 1995 kam es zu einer Explosion gewerkschaftlicher Aktivitäten<br />

gegen Angriffe auf das Rentensystem. Die Streiks waren zwar offiziell ausgerufen<br />

worden, gingen aber bald in »wilde« Aktionen über mit selbstorganisierten<br />

Massenstreikversammlungen Streikender und fast täglichen Protesten, an denen<br />

sich Millionen Menschen beteiligten. Am Ende des Jahres war die konservative<br />

Regierung gezwungen, viele ihrer Angriffe zurückzunehmen. Weitere große<br />

Streiks hauptsächlich im öffentlichen Dienst folgten im Jahr 2003 und dann wieder<br />

im Jahr 2006 und richteten sich gegen Verschlechterungen im Bildungssystem.<br />

Außerdem gab es in den Jahren 1999/2000 eine Welle örtlicher Streiks für<br />

die Umsetzung eines neuen Gesetzes zur Einführung der 35-Stundenwoche auch<br />

im Privatsektor.<br />

In den Jahren unmittelbar vor Einbruch der Krise wies Frankreich durchgängig<br />

die höchste Zahl an Streiktagen pro Beschäftigten in Westeuropa auf. 55 Vor diesem<br />

Hintergrund riefen die Gewerkschaften im Herbst 2010 in einer Zeit großer<br />

Straßenproteste und Studierendenbewegungen zu einer Reihe von sieben nationalen<br />

Streiks gegen einen neuen Angriff auf die Renten auf. Die Streiks waren<br />

die Antwort auf den Druck von Gewerkschaftsfunktionären der unteren Ebenen<br />

(zumeist Belegschaftsvertreter, die ihre Basis in den Betrieben haben, aber hauptamtlich<br />

bei Gewerkschaften angestellt sind) und auf das Ausmaß der Angriffe<br />

der Regierung Nicolas Sarkozys und ihrer Unnachgiebigkeit gegenüber der Kritik<br />

an ihrem Vorhaben. Die Intersyndicale – eine Einrichtung, in der sich die unterschiedlichen<br />

nationalen Gewerkschaftsbünde koordinieren – rief zu einer Reihe<br />

von »Aktionstagen« auf, und da die Bewegung im Aufschwung war, fand ihr Aufruf<br />

rege Resonanz. Die Aktionen konzentrierten sich auf den öffentlichen<br />

Dienst, aber auch in der Privatwirtschaft kam es zu sporadischen Arbeitsniederlegungen.<br />

Daraus wurde der größte Streik in der Geschichte Frankreichs, der die<br />

Unterstützung von zwei Dritteln der Bevölkerung genoss.<br />

55<br />

Eurofound, 2010, Tabelle 4. Die Zahl für 2007 lag bei 28 Streiktagen pro 1.000 Beschäftigten.<br />

Die nächsthöchsten waren die Zahlen für Spanien (58,1 Tage) und Italien (47,6 Tage). Diese ab -<br />

strakten Zahlen können allerdings ein verzerrtes Bild zeichnen, vor allem wenn vor dem Hintergrund<br />

eines niedrigen Niveaus von Arbeitskämpfen ein oder zwei große Streiks stattfinden. Dänemark<br />

zum Beispiel wies im Jahr 2008 im Hinblick auf die Anzahl durch Streiks verlorener Arbeitstage<br />

einen der höchsten Werte Europas während des ganzen Jahrzehnts auf. Dies war aber<br />

ausschließlich auf einen zweimonatigen Streik von Kranken-, Pflege- und Lehrpersonal zurückzuführen,<br />

der allein bereits 98 Prozent der Streiktage dieses Jahres ausmachte.

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