MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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Die Klassenkämpfe in Europa 289<br />
Durchbruch geschafft, der drohte, in einen größeren Aufschwung von Kämpfen<br />
zu münden. Die Gewerkschaftsführungen allerdings stimmten dessen ungeachtet<br />
Maßnahmen zur »Flexibilisierung« zu und unterzeichneten ein Abkommen mit<br />
dem Arbeitgeberverband, das die wachsende Bewegung schwächte.<br />
Auf dieses Zugeständnis folgte im Mai 2010 ein massiver Angriff der sozialistischen<br />
Regierung auf den öffentlichen Dienst mit einer Reihe von Kürzungsmaßnahmen<br />
einschließlich einer fünfprozentigen Lohnkürzung im öffentlich<br />
Dienst. Damit provozierte sie im Juni jenes Jahres einen Streik im gesamten öffentlichen<br />
Dienst. Es gelang nicht, die Regierung mit diesem Streik zum Rückzug<br />
zu zwingen, und ein weiterer Angriff folgte in Form des Versuchs, viele der in<br />
den vergangenen 35 Jahren erkämpften Arbeitsrechte abzuschaffen. Dies führte<br />
zu dem Generalstreik im September 2010. Die Regierung blieb stur, und die Gewerkschaften,<br />
die sich in Konflikt mit ihrer »eigenen« sozialistischen Regierung<br />
sahen, kapitulierten. Die Verbindung dieser Angriffe auf die Arbeiterrechte mit<br />
einem scharfen Anstieg der Arbeitslosigkeit im Zuge der Verschärfung der Krise<br />
und der Niederlage des Generalstreiks (dies war das erste Mal seit dem Ende der<br />
Diktatur in den 1970er Jahren, dass eine solche Kampfmaßnahme erfolglos<br />
blieb) führten zu einem deutlichen Rückgang der Streikaktivitäten in der Privatwirtschaft.<br />
Die wenigen Streiks, die noch stattfanden, hatten zunehmend defensiven<br />
Charakter und wandten sich gegen Arbeitsplatzabbau oder die Zurückhaltung<br />
von Lohnzahlungen. 53 Nun verlagerte sich das Zentrum der Aktivitäten<br />
wieder auf den öffentlichen Dienst, wo es Ende 2011 zu einem erneuten Aufschwung<br />
von Arbeitskämpfen kam.<br />
Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Streiks von oben ausgerufen worden, und<br />
es hatte wenig Druck von der Basis gegeben. Ab Mitte des Jahres 2011 jedoch<br />
verband sich die Unzufriedenheit über die Kollaboration der Gewerkschaftsführungen<br />
mit Arbeitgebern und dem Staat bei der Durchsetzung der Kürzungen<br />
mit der sich in ganz Spanien ausbreitenden Radikalisierung. Die Bewegung der<br />
Indignados (die auch als Movimiento 15-M bekannt wurde, benannt nach dem<br />
15. Mai 2011, als die Bewegung zum ersten Mal auf die Straße ging) begann mit<br />
einer Reihe von Protesten und Besetzungen öffentlicher Plätze, an denen vor allem<br />
Studenten, junge Arbeitslose und Unterbeschäftigte teilnahmen und die teilweise<br />
von der ägyptischen Revolution inspiriert waren. 54 Anfänglich stand diese<br />
Bewegung den traditionellen Arbeiterorganisationen distanziert, sogar feindselig<br />
gegenüber. Ihr Slogan »Niemand vertritt uns« richtete sich ebenso gegen die Sozialisten<br />
und die Gewerkschaften wie gegen die Elite, auch wenn zahlreiche Ge-<br />
53<br />
In den Jahren 2006 und 2007 waren über die Hälfte der Streiks mit Forderungen nach Lohnerhöhungen<br />
und besseren Arbeitsbedingungen Offensivstreiks, im Jahr 2011 waren nur noch ein<br />
Fünftel der Arbeitskämpfe Offensivstreiks.<br />
54<br />
Siehe Durgan und Sans, 2011, über den Ursprung und die Entwicklung der Bewegung.