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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Zu Theorie, Geschichte und Funktion des Rassismus 327<br />

sismus gab, der wie jener des 18. Jahrhunderts »einen Zusammenhang zwischen<br />

Hautfarbe und Ungleichwertigkeit von Menschen« behauptete, ist richtig. 31 Insofern<br />

die Unterdrückung der Sklaven von Aristoteles als natürlich legitimiert wurde,<br />

kann und muss jedoch auch hier von einem »Rassismus ohne Rassen« gesprochen<br />

werden.<br />

Dabei stellt Aristoteles keineswegs eine Ausnahme dar. Benjamin Isaacs monumentale<br />

Literaturstudie über die »Erfindung des Rassismus in der klassischen<br />

Antike« zeigt deutlich, dass Formen des Rassismus im römischen und griechischen<br />

Altertum weit verbreitet waren. 32 Diese Erkenntnis erschließt sich jedoch<br />

nur, wenn die konzeptionelle Entkopplung von »Rasse« und »Rassismus«, die<br />

oben erläutert wurde, ernst genommen wird. 33<br />

Wem nützt Rassismus?<br />

Gegen die hier vorgeschlagene Ausweitung des Rassismusbegriffs ließe sich einwenden,<br />

dass damit der Rassismus »enthistorisiert« und zu einer anthropologischen<br />

Konstante verklärt werde, wie das in den von Volkhard zu Recht kritisierten<br />

konservativen Rassismustheorien der Fall ist. Ich behaupte jedoch, dass, genau<br />

im Gegenteil, erst dadurch eine adäquate Historisierung des Rassismus möglich<br />

wird. Rassistische Ideologien sind, das eint sie über alle historischen Wandlungen<br />

hinweg, Formen der Legitimation sozialer Ungleichheit. Dabei legitimieren<br />

sie nicht nur die »Ausschließungspraxen« – die von symbolischer Ausgrenzung<br />

über Diskriminierung bis zu offener Gewalt und physischer Auslöschung<br />

reichen können –, von denen die rassistisch definierten Anderen betroffen sind;<br />

sie tragen auch dazu bei, das Gesamtgefüge von in Klassen gespaltenen Gesellschaftsformationen<br />

zu reproduzieren. Rassismus ist also Bestandteil von Klassengesellschaften.<br />

So wie es vorkapitalistische Klassengesellschaften gab, existierten<br />

auch vorkapitalistische Rassismen. Diese brachen mit dem Übergang zur kapitalistischen<br />

Produktionsweise nicht einfach weg, sondern wurden aufgegriffen,<br />

reorganisiert und dien(t)en als gigantisches Archiv der Abwertung und Entmenschlichung,<br />

auf das auch in heutigen Formen des Rassismus zurückgegriffen<br />

wird. Dies lässt sich etwa an der Aktualisierung alter, orientalistischer Klischees<br />

31<br />

Mosler S. 28.<br />

32<br />

Isaac, Benjamin The Invention of Racism in Classical Antiquity, Princeton 2004.<br />

33<br />

Tatsächlich existierte im Altgriechischen kein Begriff, der jenem der »Rasse« im modernen Sinne<br />

entsprochen hatte. Daraus schließen einige ForscherInnen, dass es auch keinen Rassismus gegeben<br />

hätte (vgl. Hannaford, 1996, Kap. 2). Isaac definiert Rassismus jedoch, ohne auf ein Äquivalent<br />

zu »Rasse« angewiesen zu sein, wie folgt: »The essence of racism is that it regards individuals<br />

as superior or inferior because they are believed to share imagined physical, mental and<br />

moral attributes with the group to which they are deemed to belong, and it is assumed that they<br />

cannot change these traits individually. This is held to be impossible, because these traits are determined<br />

by their physical makeup.« (Isaac, 2004, S. 23).

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