MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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62 Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung<br />
eines sukzessiven Abgleitens in direktes Durchschlagen von Markt, Konkurrenz<br />
und Krise auf die betriebliche Ebene.<br />
Allerdings zeigt Hermann Kotthoff auch, dass hier neue Konfliktlinien entstehen<br />
und neue Aufgaben und Möglichkeiten für aktive Widerstandskerne in den<br />
Betrieben. Er beobachtete 1997, dass es eine wachsende Kritik an der Zugeständnisbereitschaft<br />
der Betriebsräte gebe.<br />
Kotthoff sieht tendenziell sogar das »institutionelle Gerüst« der betrieblichen<br />
Mitbestimmung in Gefahr. Diese könne »als Konsens- und Kooperationsmodell<br />
längerfristig nur überleben, wenn sie vom kämpferischen Teil des Interessenhandelns<br />
arbeitsteilig entlastet ist […] Wenn die Betriebsräte die Gewerkschaft tarifpolitisch<br />
nicht nur ergänzen, sondern ersetzen müssen – was sie selbst nicht anstreben,<br />
sondern als Last empfinden –, dann wird ein Konfliktpotential in den<br />
Betrieb zurückgetragen, vor dem ihn das duale System weitgehend beschützt<br />
hat.« 47<br />
Kotthoff sieht die Möglichkeit, dass sich oppositionelle Minderheiten gegen<br />
allzu große Zugeständnisse in den Betriebsräten bilden und dass selbst kooperative<br />
Betriebsräte so unter Druck geraten könnten. 48<br />
An dieser Stelle ist auch eine Analyse der Verschärfung der sozialpartnerschaftlichen<br />
Integration der Betriebsräte wichtig. Im Organisationsbereich von IG Metall<br />
und Verdi gibt es 8.489 freigestellte Betriebsräte. Insbesondere unter diesen<br />
stellt die Hans-Böckler-Stiftung eine »Verberuflichung« der Interessenvertretung<br />
fest: »Routinierte, professionalisierte bzw. partizipationserfahrene Betriebsräte<br />
kennzeichnen somit die Interessenvertretungsarbeit in vielen Betrieben. Die ›Verberuflichung‹<br />
der Interessenvertretung scheint zum institutionellen Markenzeichen<br />
betrieblicher Mitbestimmung zu werden.« Dies drücke sich unter anderem<br />
darin aus, dass, insbesondere in Großbetrieben der Betriebsrat eine eigene berufliche<br />
»Karriere« darstellt: »In den Großbetrieben mit hochkomplexen interessenvertretungspolitischen<br />
Rahmenbedingungen ist die Betriebsrats(berufs-)karriere,<br />
hier verstanden als Betriebsratstätigkeit über mehrere Wahlperioden, ein besonders<br />
hervorzuhebendes institutionelles Strukturmerkmal der Gremien.« 49 Dies<br />
lässt sich unter anderem an den langen Amtszeiten insbesondere der Betriebsräte<br />
aus den Großbetrieben und dort noch einmal besonders der Betriebsratsvorsitzenden<br />
feststellen. 50 Dies ist deswegen von Bedeutung, da die Unternehmen eine<br />
47<br />
a.a.O. S. 97<br />
48<br />
a.a.O: S.95<br />
49<br />
Greifenstein, Ralph/ Kißler, Leo/ Lange, Hendrik: Trendreport Betriebsratswahlen 2010, Arbeitspapier<br />
231, Hans-Böckler-Stiftung 2011, 73 Seiten. S.34<br />
50<br />
Während bei den Betriebsratswahlen 2002 für 44,4 % ihre erste Amtszeit antraten und für 31,1%<br />
ihre dritte, waren es 2010 nur für 32,8 % die erste und für 42,2 % die dritte. In Großbetrieben ab<br />
1.000 Beschäftigte traten 2010 50 % der Betriebsräte ihre Amtszeit an, bei den Betriebsratsvorsitzenden<br />
stieg die Anteil der dritten Amtszeit von 2002 auf 2010 gar von 56 % auf 68 %. (Grei -