MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gewerkschaften bei Marx und Engels 115<br />
dern auch ihre schweren Reserven einschließen. Die schwache Seite der Gewerkschaften<br />
kommt also von ihrer starken Seite.« 29<br />
Damit verbunden ist ein weiteres Phänomen – ihre häufig sektionalistische<br />
Ausrichtung. Die englischen Sozialisten Tony Cliff und Donny Gluckstein fassen<br />
es so zusammen: »Da Arbeiter in verschiedenen Branchen unterschiedliche Löhne<br />
verdienen und unter verschiedenen Bedingungen arbeiten, vereinen die Gewerkschaften<br />
Arbeiter in bestimmten Gruppen. In der Folge agieren die Gruppen<br />
getrennt voneinander. Die Geografie des Gewerkschaftertums entspricht der<br />
Geografie des Kapitalismus.« 30<br />
Doch Gewerkschaften sind alles andere als starr. Sie verändern ihren Charakter<br />
je nach den Bedingungen, unter denen sie in operieren. Engels wurde am Ende<br />
seines Lebens in Großbritannien noch Zeuge einer solchen positiven Veränderung.<br />
In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts existierte dort ein ähnliches Parteiensystem<br />
wie in den heutigen USA, wo sich lediglich eine liberal-bürgerliche und<br />
eine konservativ-bürgerliche Partei gegenüberstanden. Engels erklärte Bebel in<br />
einem Brief die Folgen:<br />
Die Gewerkschaften haben den ihnen von Anfang anklebenden Zunftcharakter ruhig<br />
beibehalten und der wird täglich unerträglicher. Ihr glaubt wohl, bei den Mechanikern,<br />
Zimmerleuten, Maurern usw. könne jeder Arbeiter der Branche ohne weiteres<br />
eintreten? Davon ist keine Rede. Wer eintreten will, muss an einen der Gewerkschaft<br />
angehörigen Arbeiter eine Reihe von Jahren (meist 7) attachiert gewesen sein.<br />
Dies sollte die Zahl der Arbeiter beschränkt halten, war aber sonst ganz zwecklos,<br />
außer, dass es dem Lehrmeister Geld eintrug, wofür er tatsächlich nichts leistete […]<br />
[Die Gewerkschaften] kleben an ihrem traditionellen Aberglauben, der ihnen selbst<br />
nur schadet, statt dass sie den Kram abschaffen und dadurch ihre Zahl und ihre<br />
Macht verdoppeln […]« 31<br />
Den letztendlichen Grund für diese Entwicklung erblickt Engels in der weltbeherrschenden<br />
Stellung Englands: Eine »wirkliche allgemeine Arbeiterbewegung<br />
kommt hier – von Unerwartetem abgesehen – nur zustande, wenn den Arbeitern<br />
fühlbar wird, dass Englands Weltmonopol gebrochen. Die Teilnahme an der Beherrschung<br />
des Weltmarkts war und ist die ökonomische Grundlage der politischen<br />
Nullität der englischen Arbeiter. Schwanz der Bourgeois in der ökonomischen<br />
Ausbeutung dieses Monopols, aber immer doch an den Vorteilen derselben<br />
beteiligt, sind sie naturgemäß politisch Schwanz der »großen liberalen<br />
Partei«, die andererseits im kleinen hofiert, Trades Unions und Strikes als berech-<br />
29<br />
Leo Trotzki, Writings 1932/33, New York, 1976; zitiert in: Tony Cliff/Donny Gluckstein, Marxism<br />
and trade union struggle. The general strike of 1926, London 1986 (Bookmarks), S. 30.<br />
30<br />
Tony Cliff/Donny Gluckstein, The General Strike of 1926, S. 26.<br />
31<br />
Engels an August Bebel, 28. Oktober 1885, MEW, Bd. 36 S. 376 f.