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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Der aufhaltsame Abstieg 15<br />

bereich »inzwischen durchschnittlich 39,9 Stunden gearbeitet wird, trotz tariflicher<br />

35-Stunden-Woche.« 20 Im ersten Quartal 2011 lag die geleistete Arbeitszeit<br />

in der Metall- und Elektroindustrie bei durchschnittlich 41 Stunden in der Woche.<br />

21 Eine Umfrage aus dem Jahr 2011 unter 9000 Betriebsräten der IG Metall<br />

in Baden-Württemberg bestätigt die Befunde von Bergmann u. a. aus ihrer Befragung<br />

von 1997. 66 Prozent der Befragten gaben an, dass in ihrem Betrieb »Arbeitszeit<br />

verfällt«. Das bedeutet, dass die in den Arbeitszeitkonten angesparten<br />

Überstunden teilweise überhaupt nicht mehr bezahlt oder durch Freizeit abgegolten<br />

werden, geschweige denn wie früher mit Überstundenzuschlägen von 20<br />

bis 50 Prozent vergolten werden. Das ist ein alarmierendes Ergebnis. 22<br />

In der Wirtschaftskrise von 1993 war es in zahlreichen Branchen zu ähnlichen<br />

und noch weitergehenden Formen der Arbeitszeitflexibilisierung gekommen. Allerdings<br />

dann schon ohne das Zugeständnis einer Absenkung der tariflichen Wochenarbeitszeit.<br />

In mehreren Tarifverträgen wurden zum ersten Mal Arbeitszeitverkürzungen<br />

ohne Lohnausgleich gegen Kündigungsschutz vereinbart (Steinkohle,<br />

VW, Papierindustrie, Stahl, Metall, Leder, Kautschuk, Feinkeramik u. a.).<br />

In der Chemischen Industrie wurde eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 37,5<br />

Stunden bei einem Arbeitszeitkorridor von 35 bis 40 Stunden und einem Verteilzeitrahmen<br />

von 12 Monaten vereinbart.<br />

In den Aufschwungsjahren der Nachkriegszeit hatte die IG Metall immer wieder<br />

den Türöffner für bahnbrechende Erfolge gemacht. Jetzt in der Krise hat sie<br />

dem kontinuierlichen Abbau früher erkämpfter sozialer Rechte die Tür geöffnet.<br />

Betriebliche Bündnisse für Arbeit wurden allenthalben geschlossen, die das »concession<br />

bargainig« nun auf Dauer institutionalisierten. Nur waren es zumeist keine<br />

Verbesserungen gegen Verschlechterungen mehr – wie noch bei dem Einstieg<br />

in die 35-Stunden-Woche in den 1980er Jahren – sondern Verschlechterungen<br />

(Lohnabbau, Verlängerung der Arbeitszeit, Abschaffung der Überstunden- und<br />

Samstagszuschläge u. a.) gegen eine befristete Unterlassung von Massenentlassungen<br />

und betriebsbedingten Kündigungen, gegen Standortverlegungen und damit<br />

einhergehenden Schließungen oder Teilschließungen. Der Tauschhandel<br />

droht zu einer Spirale nach unten zu werden, die von Krise zu Krise immer weitere<br />

Zugeständnisse zu Lasten der Beschäftigten nach sich zieht: »concession<br />

bargaining« nach dem Modell des Märchens vom Hans im Glück, der mit einem<br />

Goldklumpen startet und mit leeren Händen endet.<br />

Das Versprechen von mehr Zeitsouveränität, wie es Steinkühler und die IG<br />

Metall 1984 einmal gegeben hatten, verwandelte sich ins Gegenteil. »Die sozialen<br />

20<br />

Tagesspiegel, 8.11.2007<br />

21<br />

Detlef Wetzel, Helga Schnitzer, Hans-Jürgen Urban »Arbeitszeit gestalten, Fakten – Hintergründe<br />

– Vorgehen«, Themenheft der IG Metall 2011, S.9<br />

22<br />

ebda., S.11

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