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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Das Potenzial der weiblichen Arbeiterklasse 225<br />

bedeutende Teile der Beschäftigten zu organisieren und fast flächendeckend Betriebsräte<br />

zu gründen – und das, obwohl bei Schlecker mehrheitlich Frauen arbeiten,<br />

viele in Teilzeit und auf kleine Filialen verteilt. Anscheinend war hier die<br />

gewerkschaftliche Praxis ausschlaggebender als die »spezifischen« Beschäftigungsfaktoren.<br />

Die besondere Lage der Frauen<br />

Es wäre also falsch, die bisher unzureichende Organisierung von Frauen allein<br />

aus diesen »objektiven« besonderen Beschäftigungsfaktoren zu erklären. Denn<br />

wie das HBS-Arbeitspapier selbst feststellt, bleibt – wenn man bestimmte Faktoren<br />

wie Teilzeitarbeit, Beschäftigtengruppe, Betriebsgröße, Branche, Verdienst,<br />

Bildung oder Nationalität heraus rechnet – eine »geschlechtsspezifische Organisationslücke«<br />

von 5 Prozent. 90 Es gibt eine besondere Situation der arbeitenden<br />

Frauen. Durch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und das Fortbestehen<br />

der Kleinfamilie trägt die Frau den überwiegenden Teil der Reproduktionsarbeit.<br />

Es gibt zwar nicht »die« erwerbstätige Frau. Unter den weiblichen Beschäftigten<br />

finden sich vollzeitbeschäftigte alleinstehende Frauen ebenso wie die minijobbende<br />

Mütter. Allgemein sind jedoch Frauen aus den oben genannten Gründen<br />

übermäßig stark zur Teilzeitarbeit, beruflichen Unterbrechungen und Auszeiten<br />

gezwungen und in einem besonderem Maße belastet.<br />

Das erschwert es vielen arbeitenden Frauen, sich zu organisieren, und bindet<br />

ihre Energie und Aufmerksamkeit an Familie. Diese besondere Problematik war<br />

schon den Vorkämpfern der proletarischen Frauenbewegung bewusst. Clara Zetkin<br />

wies bereits Ende des 19. Jahrhunderts darauf hin:<br />

Die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiterinnen ist äußert erschwert. […] dadurch,<br />

daß viele Frauen in der Hausindustrie tätig und deshalb schwer heran zu ziehen.<br />

Dann haben wir noch mit dem Problem zu kämpfen, daß die industrielle Tätigkeit<br />

für sie vorübergehend ist und mit der Ehe aufhört. Vielen Frauen erwächst die<br />

doppelte Pflicht, sie müssen in der Fabrik und in der Familie tätig sein. 91<br />

Im Vergleich zu vor hundert Jahren hat sich eine Menge verändert: Frauen arbeiten<br />

kaum noch gewerblich zu Hause, aber dafür viel Teilzeit. Die Mehrheit der<br />

Frauen arbeitet inzwischen, auch wenn sie Kinder haben und in Partnerschaft leben,<br />

und auch die Arbeitsverteilung in der Familie ist nicht mehr ganz so ungleich.<br />

Dennoch bleibt die Grunddiagnose aktuell: Die einseitige Belastung der<br />

Frau mit der Familien- und Kinderarbeit, die oft mit einer eingeschränkten und<br />

unterbrochenen Berufstätigkeit verbunden ist, bindet nicht nur ihre Ressourcen<br />

sondern prägt auch Bewusstsein. Engagieren sich Frauen ehrenamtlich, ist dies<br />

90<br />

Hans-Böckler-Stiftung, Zukunft der Gewerkschaften, S. 90.<br />

91<br />

Rede Clara Zetkins auf dem Parteitag der SPD 1896, abgedruckt in: Bauer, Clara Zetkin, S. 213f.

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