MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

64 Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung
solchen Rätebewegung, die die sozialpartnerschaftliche Vorstrukturierung der Institution
Betriebsrat untergräbt. »Rätestruktur« bedeutet in Bezug auf die gewerkschaftlichen
Vertrauenskörper deren jederzeitige Abwählbarkeit und Verantwortlichkeit
gegenüber ihrer Wählerbasis, den Gewerkschaftsmitgliedern in den
Abteilungen und Büros. Sie kann und soll keine neue Organisation neben den
Gewerkschaften sein. Ganz im Gegenteil sollen sie deren Erneuerung und Demokratisierung
durch Bewegung von unten dienen. Ansätze zur Demokratisierung
von Streiks, wie sie auf der Konferenz »Erneuerung durch Streik« vorgestellt
wurden, werden sich wiederum nur dauerhaft etablieren, wenn sie jene
Kräfte herausfordern, die einer Demokratisierung, bzw. überhaupt einer auf
Streiks und Konflikte setzenden Gewerkschaftsstrategie im Weg stehen. Auch
wenn solche selbstbewusste und eigenständige Organisierung der Vertrauensleute
heute in weiter Ferne zu liegen scheint, könnte die Rückverlagerung des Konfliktpotentials
von der überbetrieblichen auf die betriebliche Ebene hierfür einen
neuen Ausgangspunkt bieten.
Die Rolle der LINKEN in der Erneuerung der
Gewerkschaftsbewegung
Jan Ole Arps beschreibt in seinem Buch Frühschicht wie in den 1970er Jahren
Tausende revolutionärer Aktivisten aus der Erkenntnis heraus, dass sie »ohne die
Arbeiterklasse keine Chance hatten« 54 in die Fabriken gingen und sich vom Studenten
in einen »Arbeiter« verwandelten, in der Hoffnung so besser die Arbeiterklasse
organisieren zu können. Bisweilen liest sich die Geschichte als Parodie –
etwa, wenn die KPD (ML) ihre Mitglieder anweist, sich dem was sie für proletarische
Kultur hält anzupassen – also lange Haare ab, ordentliches Äußeres, Arbeiterlieder
auf Kulturveranstaltungen hören und singen und Heirat und Familienhaushalt
am besten mit Kind –, gerade zu einer Zeit wo die antiautoritäre Bewegung
viele, insbesondere junge Arbeiter ansprach und sie sich die Haare wachsen
ließen. 55 Die Situation heute könnte anders kaum sein. Skater, Raver, Subkulturen
sind auch in der Arbeiterklasse die kommerzialisierte Regel und nicht Ausdruck
politischer Widerständigkeit einer antiautoritären Minderheit. Es gibt keine Revolutionäre
mehr, die sich in Fabrikarbeiter verwandeln, und eine wirkmächtige revolutionäre
Linke gibt es auch nicht. Allerdings – und es ist merkwürdig, dass Jan
Ole Arps dies in seinem Buch aus dem Jahr 2011 nicht erwähnt – gibt es heute
die Partei die LINKE, die einen organisierten Bruch mit der Sozialdemokratie
nach links bedeutet und über eine beträchtliche Wählerschaft in der Gewerkschaftsbewegung
verfügt.
54
Arps, Jan-Ole: Klappentext
55
Arps, jan Ole. S.76-84