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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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54 Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung<br />

Ende der konservativen Hegemonie, symbolisiert in der seit 1949 ununterbrochenen<br />

Ära von CDU-Bundeskanzlern. In den 1950er und frühen 1960er Jahren<br />

war die Tarifpolitik der deutschen Gewerkschaften außerordentlich erfolgreich<br />

gewesen, sie entsprach den Erwartungen der Mitglieder. Ab 1968 gingen Erwartungen<br />

von großen Teilen der Mitgliedschaft (»Basis«) und der Politik der Führung<br />

streckenweise stark auseinander. Der Grund war, dass die Gewerkschaften<br />

unter dem Druck der 1966 erstmals in die Bundesregierung eingetreten SPD auf<br />

ihre »Marktmacht« freiwillig verzichtete. Zuvor hatten die Gewerkschaften 1965<br />

und 1966 den CDU-Kanzler Erhard scharf kritisiert, der angesichts sinkender<br />

Profitraten und steigender Lohnstückkosten die Gewerkschaften wiederholt zum<br />

»Maßhalten« aufgerufen hatte. Was Erhard nicht gelungen war, nämlich die<br />

Lohnkosten zu senken und die Profite wieder zu steigern, gelang der SPD als Regierungspartei.<br />

Ihr Wirtschaftsminister Karl Schiller griff zum Instrument staatlich<br />

verordneter Lohnleitlinien (»Konzertierte Aktion«), die nicht überschritten<br />

werden sollten. Das rechtskeynesianische Programm Schillers bestand aus<br />

Lohnabbau zur Stabilisierung der Profite, Senkung der Lohnstückkosten zur<br />

Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und<br />

in Staatsaufträgen für die Investitionsgüterindustrie zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur.<br />

Alle Gewerkschaften des DGB unterwarfen sich Schillers Lohnleitlinien<br />

in Höhe von 3 Prozent. Die Gewerkschaften hielten sich auch dann<br />

noch an Schillers Lohnleitlinien, als Mitte 1968 ein breiter Konjunkturaufschwung<br />

einsetzte.<br />

Als die Stahlarbeiter 1969 den Aufschwung durch Neueinstellungen und Überstunden<br />

überall spürten, erkämpften sie höhere Löhne (30 Pfennig pro Stunde)<br />

an den Gewerkschaftsführungen vorbei. Der Vorgang wiederholte sich 1972/73,<br />

als sich die Gewerkschaften erneut mit niedrigen Lohnabschlüssen und langen<br />

Laufzeiten der Tarifverträge den staatlichen Lohnleitlinien unterwarfen. Es kam<br />

zu einer zweiten Welle von Streiks, die erneut die von den Gewerkschaften zunächst<br />

befolgten Lohnleitlinien durchbrach.<br />

Der Aufschwung von Klassenkämpfen entwickelte sich in zwei Phasen, die<br />

beide durch spontane Streiks ausgelöst und angestoßen wurden. Die erste Phase<br />

(1969–71) wurde ausgelöst durch spontane Streiks in der Stahlindustrie 1969<br />

(»Septemberstreiks«) – meist getragen von deutschen, besser verdienenden Facharbeitern<br />

und organisiert durch Vertrauensleute und linke Betriebsräte.<br />

Die zweite Phase wurde wieder ausgelöst von Streiks in der Stahlindustrie, ergriff<br />

aber bald beträchtliche Teile der Automobil- und Elektroindustrie, des Öffentlichen<br />

Dienstes, des Bergbaus und weitere. Getragen wurde diese Welle von<br />

den unteren Schichten der »Massenarbeiter« 33 an den Fließbändern der Großseri-<br />

33<br />

Der Begriff wurde in den 60er Jahren von der Strömung der Operaisten in Italien geprägt und<br />

bezeichnete die damals sich rasch vermehrende Gruppe von an- und ungelernten Beschäftigten

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