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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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326 Zu Theorie, Geschichte und Funktion des Rassismus<br />

als »unrein« markierten und von einer Reihe sozialer Institutionen ausschloss. 23<br />

In diesem »Rassismus der Kontamination« war, schon lange vor der Verwissenschaftlichung<br />

des Rassismus im 18. und 19. Jahrhundert, der Verweis auf vorgeblich<br />

körperliche Stigmata ein Bestandteil des Rassismus. 24 Die epochale Scheidung<br />

zwischen einem christlichen – nicht-rassistischen – Anti-Judaismus und einem<br />

modernen – rassistischen – Antisemitismus lässt sich nicht aufrecht erhalten,<br />

wie nicht nur diese Episode nahelegt. 25 So lassen sich die Judenverfolgungen<br />

in den Kreuzzugsbewegungen ebenso wie die zahlreichen Pogrome des 12., 13.<br />

und 14. Jahrhunderts nur dann nicht als rassistisch bezeichnen, wenn Rassismus<br />

auf verwissenschaftlichte Rassentheorien verengt wird. Wo Juden und Jüdinnen<br />

als teuflische, barbarische oder unreine Andere konstruiert und verfolgt wurden,<br />

wurde diesen ein unhintergehbares Wesen, eine »Natur« unterstellt, auch wenn<br />

dies im Rahmen eines magisch-religiösen, nicht eines wissenschaftlich-rationalen<br />

Diskurses geschah. 26<br />

Um schließlich noch ein Stück tiefer in die europäische Geschichte vorzudringen,<br />

muss auch Volkhards These, wonach es in der griechischen Antike »einer<br />

besonderen Ideologie zur Legitimation von Sklaverei« nicht bedurft hätte, widersprochen<br />

werden. Er zitiert hier ausgerechnet Aristoteles mit den Worten »Diejenigen,<br />

die glauben, die Sklaven hätten keine Vernunft, irren sich«. 27 Tatsächlich<br />

jedoch wendet Aristoteles weite Teile des ersten Buchs seiner Abhandlung über<br />

»Politik« dafür auf, die »despotische Gewalt« des Herrn über den Sklaven zu<br />

rechtfertigen (neben der »ehelichen Gewalt« des Ehemanns über die Frau und<br />

der »väterlichen Gewalt« über die Kinder). Dass ein Sklave von einem freien<br />

Mann als »lebendiges Besitzstück« besessen werden kann, führt Aristoteles darauf<br />

zurück, dass ersterer »von Natur nicht sich selbst angehört«, ergo »von Natur<br />

Sklave« sei. 28 Die von Volkhard zitierte »Vernunft«, die Aristoteles den Sklaven<br />

zugesteht, wird hier streng umfasst: Sklave ist, »wer an der Vernunft bloß insofern<br />

Teil hat, dass er sie vernimmt, aber nicht besitzt«. 29 Entsprechend wird der<br />

Sklave in der natürlichen Rangordnung verortet: Der Unterschied zwischen ihm<br />

und einem Haustier sei »kein sehr beträchtlicher«. 30 Dass es keinen antiken Ras-<br />

23<br />

Hering Torres, Max Rassismus in der Vormoderne. Die »Reinheit des Blutes« im Spanien der Frühen Neuzeit,<br />

Frankfurt/M. 2006.<br />

24<br />

Hund 2007, S. 50.<br />

25<br />

Mosler S. 31. Dass von einer »langen Geschichte« des Antisemitismus ausgegangen wird, stellt<br />

keineswegs die historische Singularität des Vernichtungsantisemitismus der Nazis und der industriellen<br />

Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden und Jüdinnen in Abrede.<br />

26<br />

Vgl. Delacampagne, 2005, S. 62ff.<br />

27<br />

Mosler S. 27.<br />

28<br />

Aristoteles Politik. Erstes, zweites und drittes Buch, Berlin 1872, S. 12ff.<br />

29<br />

Aristoteles Poliltik S. 17; vgl. Delacampagne, 2005, S. 54.<br />

30<br />

Aristoteles S. 17.

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