MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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Die Klassenkämpfe in Europa 277<br />
Mélenchon mit seinem Antisparkurs und einer antirassistischen Kampagne in der<br />
ersten Runde der Präsidentschaftswahlen 11 Prozent der Wählerstimmen. In<br />
Spanien stand die von den Kommunisten angeführte Izquierda Unida (Vereinigte<br />
Linke) im Sommer 2012 in Umfragen bei 13 Prozent, während sie im November<br />
im Bündnis mit einer weiteren linken »ökosozialistischen« Partei die Anzahl ihrer<br />
Vertreter im katalanischen Parlament von 10 auf 13 erhöhen konnte, als sie 9,9<br />
Prozent bei den Regionalwahlen gewann. In Griechenland tritt dieses Muster am<br />
spektakulärsten zutage, wo das sehr linke Bündnis Syriza bei den Wahlen im Juni<br />
2012 fast 27 Prozent der Stimmen erhielt; seit den 1970er Jahren hat keine so<br />
weit links stehende Partei in Europa ein so hohes Ergebnis erzielt.<br />
Die linksreformistischen Kräfte haben verschiedene Wurzeln. Mélenchons<br />
Front de Gauche vereinigt die französische Kommunistische Partei und eine linke<br />
Abspaltung der Sozialistischen Partei sowie Abtrünnige der radikallinken<br />
Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA); Syriza vereinigt die meisten aus der Kommunistischen<br />
Partei Griechenlands hervorgegangenen eurokommunistischen<br />
Elemente sowie einige radikallinke Gruppierungen. Die niederländische Sozialistische<br />
Partei, die 15 Parlamentssitze bei den Wahlen im September 2012 gewann,<br />
begann einst als maoistische Organisation, bevor sie Mitte der 1990er Jahre ihren<br />
Durchbruch erlebte und breitere Unterstützerkreise unter Gegnerinnen und<br />
Gegnern des Neoliberalismus anziehen konnte. Was sie alle gemeinsam haben,<br />
ist ihre Fähigkeit, die etablierten linken Parteien durch Ablehnung des allgemein<br />
herrschenden Sparkonsenses herauszufordern. Sie sind trotz alledem aber linksreformistisch.<br />
30 Sie spiegeln den Kampf von unten wider oder zumindest das Streben<br />
nach einer solchen Bewegung, aber ihnen schwebt eine Transformation des<br />
kapitalistischen Systems mithilfe der existierenden staatlichen Strukturen, teilweise<br />
auch der Strukturen der Eurozone, vor. Wie Alexis Tsipras, der Chef von Syriza,<br />
neulich der US-amerikanischen liberalen Brookings Institution verriet: »Syrizas<br />
radikale Positionen haben nichts mit einer Herauslösung Griechenlands aus<br />
der Eurozone zu tun. Und wenn es uns nicht um eine geplante Auflösung unserer<br />
Vereinbarungen mit der Eurozone geht, was ist dann mit ›radikallinks‹ gemeint?<br />
Es bedeutet, dass wir in der Regierung für radikale Reformen bereit sind,<br />
um ein stabiles Umfeld für Gerechtigkeit, die Umverteilung von Reichtum und<br />
für Investitionen zu schaffen.« 31<br />
Nichtsdestotrotz kann die radikale Linke es sich nicht leisten, das Aufkommen<br />
solcher Strömungen zu ignorieren; ihr Erfolg kann das Selbstbewusstsein und die<br />
Erwartungen der Arbeiterklasse durchaus steigern und die politische Stimmung<br />
insgesamt nach links verschieben. Wer glaubt, dass die Arbeiterklasse nach dem<br />
Beginn von Kämpfen automatisch ihren alten Organisationen den Rücken kehrt<br />
30<br />
Siehe Callinicos, 2012 a.<br />
31<br />
Tsipras, <strong>2013</strong>, S. 13–14.