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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Gewerkschaften bei Marx und Engels 113<br />

ren konnte, sowie die staatliche Anerkennung hinsichtlich der quasi-gesetzlichen<br />

Mitwirkung bei »Lohnregelungen«, ist insofern Ausdruck eines historischen Erfolges.<br />

Die dauerhafte Etablierung gewerkschaftlicher Strukturen zeugt von der<br />

Widerstandsfähigkeit der industriellen Arbeiterklasse. Zugleich aber geht aus dieser<br />

Verfestigung der Gewerkschaftsorganisationen eine Bürokratisierung hervor,<br />

die sie lähmen und ihrem ursprünglichen Ziel entgegenstehen.<br />

Für den Gewerkschaftsfunktionär, der stellvertretend und hauptamtlich für seine<br />

ehemaligen Kollegen die Bedingungen aushandelt, unter denen diese arbeiten,<br />

wird die Gewerkschaftsorganisation vom Mittel zum Zweck. Das erzeugt Ängste<br />

vor zu großen Klassenauseinandersetzungen, die im Falle einer Niederlage den<br />

aufgebauten Apparat schwächen oder gar zerstören können. Hinzu kommt eine<br />

veränderte Haltung gegenüber dem Klassengegner. Je weiter der Funktionär aus<br />

dem unmittelbaren Arbeitsprozess entkoppelt ist, je länger er als Dauerverhandlungspartner<br />

dem Management gegenübersitzt, desto größer wird der Einbindungsdruck.<br />

Die Versuchung wächst, einen Standpunkt im Interesse des jeweiligen<br />

»Gesamtunternehmens« in Konkurrenz zu anderen Unternehmen einzunehmen,<br />

und schließlich auch für die Gesamtheit der einheimischen Unternehmen<br />

gegenüber dem ausländischen Kapital.<br />

Die soziale Funktion des hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionärs besteht in<br />

der Vermittlung an sich. Das erklärt die Verherrlichung des Klassenkompromisses<br />

durch den Apparat, der zugleich stets selbstständige und unkontrollierte Aktivitäten<br />

der von ihm vertretenen Arbeiter fürchtet, da dies seine Existenzberechtigung<br />

in Frage stellt. Arbeitskämpfe sind aus dieser Sicht notwendig, um den Forderungen<br />

Nachdruck zu verleihen. Doch sie dürfen nicht ausufern. Die eigentliche<br />

Auseinandersetzung findet hinter verschlossenen Türen in Verhandlungen<br />

mit den Vertretern der Geschäftsführung statt.<br />

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich diese Entwicklung erst<br />

abzuzeichnen. Deutlicher wurde sie in Großbritannien als dem fortgeschrittensten<br />

Industrieland. Zu Lebzeiten hatten Marx und Engels indes kaum die Gelegenheit,<br />

ihre verstreut zu findenden Erklärungsansätze für die Verkrustungen der<br />

britischen Gewerkschaftsbewegung in eine umfassende Theorie zu entwickeln.<br />

Die Herausbildung einer ganzen sozialen Schicht von Bürokraten innerhalb der<br />

Arbeiterbewegung und die daraus erwachsene Theorie von der »Sozialpartnerschaft«<br />

– begleitet von der illusionären Hoffnung auf eine schrittweise Überwindung<br />

der kapitalistischen Gesellschaftsordnung auf dem Weg der parlamentarischen<br />

Reform – nahm erst ihren Anfang.<br />

Aber die Auseinandersetzung mit den Problemen ihrer Zeit verdeutlicht eine<br />

Methode, die uns heute ebenso dienen kann. Insbesondere haben Marx und Engels<br />

die Entwicklung der Gewerkschaften aus den Bedingungen erklärt, unter denen<br />

diese operierten. Auch die Tendenz zur Bürokratisierung ist nicht das Ergeb-

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