MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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Globalisierungsmythen und die »New Economy« 159<br />
Bei der Flexibilisierung handelte es sich daher mehr um eine Strategie gegen<br />
die Arbeiterklasse und weniger um das Ergebnis einer fundamental neuen Wirtschaftslogik.<br />
Sie kann genauso eine neue Jobbeschreibung oder das Verletzen<br />
von Arbeitsverträgen beinhalten wie eine reale Veränderung von Arbeitsanforderungen.<br />
Aber sogar dieses bescheidene Ziel war aus Sicht des Kapitals oft mehr<br />
Wunschdenken als Realität. Zwischen 1995 und 2005 sank der Anteil der US-amerikanischen<br />
Arbeiterschaft, der einer »atypischen« Beschäftigung nachging,<br />
und innerhalb dieser Gruppe stieg der Anteil der »Permatemps«, jener mit ungesicherten<br />
Arbeitsverträgen, die aber länger als ein Jahr lang im gleichen Job blieben,<br />
von 62 auf 65 Prozent. 100<br />
Schließlich, und das ist noch wichtiger, hat eine Klassenpolarisierung unter Arbeitern<br />
nicht stattgefunden. Lawrence Mishel und seine Mitautoren argumentieren,<br />
dass die größte Kluft sich zwischen den oberen 10 Prozent und allen anderen<br />
auftut, 101 und die behauptete Polarisierung basiert meistens auf diesem Vergleich.<br />
Eine solche Gegenüberstellung ist allerdings ein höchst irreführender<br />
Maßstab für die Lohnspreizung innerhalb der Arbeiterklasse. Es stimmt natürlich,<br />
dass die Bezahlung von Führungskräften kometenhaft gestiegen und manche<br />
leitende Angestellte auch ganz gut fahren. Aber wenn man stattdessen die<br />
niedrigsten Einkommen mit dem Median, also mit denen im mittleren Einkommensbereich,<br />
vergleicht, ist das Bild viel weniger eindeutig. Hier hat sich die<br />
Kluft »in den 1980er Jahren ausgeweitet, ist aber seitdem gleich geblieben oder<br />
kleiner geworden«. 102 Besonders seit 1987 (gerade als die New Economy ihre Erfolgsstory<br />
antrat) ist der Unterschied bei Männern kleiner geworden und bei<br />
Frauen gleich geblieben. 103 Für Frauen in den USA war die Polarisierung insgesamt<br />
größer als für Männer, wobei die oberen 80 Prozent erhebliche Lohnsteigerungen<br />
erzielten. Dahinter verbirgt sich allerdings keine Vertiefung der Ungleichheit<br />
zwischen Männern und Frauen, sondern vielmehr ihre Abnahme. Noch im<br />
Jahr 2005 bezogen 29,4 Prozent der Frauen, aber nur 19,9 Prozent der Männer<br />
Löhne, die offiziell als Armutslöhne galten, aber das war für die Männer eine<br />
Verschlechterung von den 15,7 Prozent noch im Jahr 1979 und für die Frauen<br />
eine Verbesserung von den damaligen 42,1 Prozent. Der Anteil der Armutslöhne<br />
unter schwarzen Frauen und Männern und unter hispanischen Frauen, aber nicht<br />
den Männern, sank ebenfalls. 104 Auch in Westeuropa verkleinert sich tendenziell<br />
100<br />
Mishel, Bernstein und Allegretto, 2007, S. 238, 241.<br />
101<br />
Mishel, Bernstein und Allegretto, 2007, S. 210.<br />
102<br />
Mishel, Bernstein und Allegretto, 2007, S. 5.<br />
103<br />
Mishel, Bernstein und Allegretto, 2007, S. 142, 201.<br />
104<br />
Mishel, Bernstein und Allegretto, 2007, S. 124–127.