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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Zu Theorie, Geschichte und Funktion des Rassismus 329<br />

Darüber hinaus, und vielleicht noch wichtiger, darf die gesellschaftliche Privilegierung,<br />

die mit rassistischen Verhältnissen einhergeht, nicht unterschätzt werden.<br />

Dies wird in einer Passage aus W. E. B. Du Bois’ wichtigem Werk »Black Reconstruction<br />

in America 1860–1880« deutlich, die Alex Callinicos in einem Beitrag,<br />

der in der gleichen Ausgabe von theorie21 nachgedruckt wurde, zitiert. Du<br />

Bois, Schwarzer Marxist und einer der scharfsinnigsten Analytiker rassistischer<br />

Verhältnisse schrieb über die Formierung der US-amerikanischen Arbeiterklasse:<br />

»Es muss daran erinnert werden, dass die weiße Gruppe von Arbeitern, wenngleich<br />

sie auch niedrige Löhne bezog, einen Ausgleich in Form einer Art öffentlichen<br />

und psychologischen Lohns erhielt. Weil sie weiß waren, wurden sie in der<br />

Regel besser behandelt und geachtet.« 40 Dieser »politische und psychologische<br />

Lohn« ist keine Illusion, sondern materielle Realität in praktisch allen Lebensbereichen;<br />

Rassismus bietet bestimmten sozialen Gruppen eine »Kompensation für<br />

ausbeuterische und entfremdende Klassenverhältnisse«. 41 Indem Rassismus darüber<br />

hinaus eine Ideologie der Einheit über Klassengrenzen hinweg anbietet und<br />

im »Alltagsverstand« weiter Teile der beherrschten Klassen wirkt, ist er Teil dessen,<br />

was der italienische Revolutionär Antonio Gramsci einst die »Hegemonie«<br />

des Bürgertums nannte. 42 Die »Wages of Whiteness«, die etwa von dem Historiker<br />

David Roediger in Kontext der Formierung der US-amerikanischen ArbeiterInnenklasse<br />

detailliert untersucht wurden, gilt es ernst zu nehmen; ebenso wie<br />

die Tatsache, dass Teile der ArbeiterInnenklasse durch rassistische Ideologien an<br />

die Interessen der Herrschenden gebunden werden.<br />

Fazit<br />

Die hier formulierten Einwände gegen das von Volkhard vertretene Verständnis<br />

von Rassismus sollten nicht als rein theoretische Spitzfindigkeiten missverstanden<br />

werden. Sie sind mit politischen und strategischen Konsequenzen verknüpft.<br />

Zunächst verweist die zuletzt diskutierte funktionale Dimension des Rassismus<br />

darauf, dass nur eine Analyse der widersprüchlichen Effekte des Rassismus eine<br />

Basis für die Formulierung effektiver antirassistischer Strategien sein kann. Es<br />

nützt wenig, für Rassismen empfängliche Lohnabhängige davon zu überzeugen,<br />

was ihre »eigentlichen« Interessen wären, wenn sie tatsächlich realen Anteil am<br />

»politischen und psychologischen Lohn« des »Weißseins« haben. Gemeinsame<br />

40<br />

W. E. B. Du Bois, zit. n. Callinicos, Alex, »Karl Marx über die Ursachen des Rassismus«, in: theorie21,<br />

2/2012, S. 11-17, hier: S. 13. Korrigierte Übersetzung. Vgl. Du Bois, W. E. B., 1985 [1935]),<br />

Black Reconstruction in America 1860-1880, New York.<br />

41<br />

Cleaver, Kathleen, 2007, »Introduction«, in: Roediger, David R. The Wages of Whiteness. Race and<br />

the Making of the American Working Class, Revised Edition, London 2007, S. xix-xxvi, hier: S. xx.<br />

42<br />

Zu Gramscis Konzept der Hegemonie vgl. Opratko, Benjamin Hegemonie. Politische Theorie nach<br />

Antonio Gramsci, Münster 2012.

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