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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung 61<br />

Front eine »Deregulierung und Flexibilisierung« stattfand. Die Reaktion der Betriebsräte<br />

sei dabei durch drei Gesichtspunkte geprägt:<br />

1. Durch eine »ökonomistische Sicht«, d. h. sie »halten die Entscheidungen für<br />

notwendig und alternativlos, weil der Weltmarkt, die Konkurrenz usw. sie diktiert.«<br />

2. Durch die »sozialverträgliche Abpolsterung der Nagativmaßnahmen« 3.<br />

Durch eine »Beteiligung um der Beteiligung willen […] Schlimmer als der Misserfolg,<br />

ist für sie, nicht dabei gewesen zu sein, denn das würde die Substanz ihrer<br />

Funktion schwächen.« 45<br />

Was jahrelang den Arbeitgebern nicht gelungen sei, nämlich »ein substantieller<br />

Abbau von arbeits-, sozial- und tarifpolitischen Standards«, gelinge »neuerdings<br />

[…] sozusagen durch einen Freundschaftsvertrag, genannt ›Beschäftigungssicherungsvertrag‹«.<br />

Betriebsräte schließen Betriebsvereinbarungen ab, in denen sie<br />

den Verzicht des Unternehmens auf betriebsbedingte Kündigungen für eine bestimmte<br />

Zeit mit einer Vielzahl von Verschlechterungen für die Beschäftigten<br />

»kaufen«. Typische Beispiele seien: »Streichung/Kürzung von Pausen und Erholzeiten«,<br />

»Einführung von/Zunahme von Schicht-, Nachtschicht, und Wochenendarbeit,<br />

Überschreitung von Höchstarbeitszeiten pro Tag und Woche, weitgehende<br />

Flexibilisierung von Arbeitszeiten durch Zeitkonten und mit langen Ausgleichszeiten<br />

und damit Anpassung der Arbeitszeit an die Auftragslage, dadurch<br />

Obsoletwerden des Tatbestandes »Überstunde« somit auch von Überstundenzuschlägen<br />

und Überstundengenehmigung durch den Betriebsrat, damit Preisgabe<br />

eines klassischen Machtinstruments des Betriebsrats; Anrechnung übertariflicher<br />

Lohnbestandteile, pauschale Verkürzung von Vorgabezeiten, Zustimmung des<br />

Betriebsrates zu bestimmten Kostensenkungsprogrammen und zu leistungspolitischen<br />

Deregulierungen, Senkung des Krankenstandes um eine vereinbarte Prozentzahl.«<br />

46<br />

Vergleicht man diese Horrorliste mit den Tätigkeiten der Betriebsräte bis in die<br />

frühe 1980er Jahre, so muss man von einem Systemwechsel sprechen. Betriebsräte<br />

früher machten z. B. die Zustimmung zu Überstunden von der Gewährung<br />

von Vergünstigungen abhängig, Der angedrohte »Überstundenstreik« war ein<br />

wirksames Mittel des »concession bargaining«, des Tauschhandels zugunsten der<br />

Belegschaften. Dieses Druckmittel ist durch die Arbeitszeitflexibilisierung weitgehend<br />

abhanden, an seine Stelle ist das Druckmittel der anderen Seite durch die<br />

Drohung mit zukünftigen Entlassungen getreten. Die »Institution« der Mitbestimmung<br />

sei ungebrochen, die Betriebsräte werden mehr zu Rate gezogen als<br />

früher, aber »bei gleichzeitigem Ausverkauf von Arbeitsrechten«. So hat das Modell<br />

der Sozialpartnerschaft in der Krise ein neues Gesicht erhalten, das Gesicht<br />

45<br />

Kotthoff, S. 91 f.<br />

46<br />

Kotthoff, S. 93

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