MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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136 Die Arbeiterklasse heute<br />
In den achtziger Jahren haben solche Theorien an Gewicht gewonnen, die in<br />
Anlehnung an den deutschen Soziologen Max Weber Klassenzugehörigkeit aus<br />
den durch Marktchancen vermittelten »Lebensstilen« ableiten, nicht aber aus der<br />
unterschiedlichen Stellung zu den Produktionsmitteln. 25 Diese Tendenz zum<br />
»Subjektivismus«, d. h. die Ausblendung objektiver ökonomischer Strukturen zugunsten<br />
ideologischer Momente der Selbsteinschätzung und der persönlichen<br />
Qualifikation lässt weder die Unterscheidung von einer Klasse »an sich« und »für<br />
sich« zu, wie sie bei Marx zu finden ist, 26 noch erlaubt sie, zwischen falschem und<br />
richtigem, d. h. der objektiven Lage angemessenem Bewusstsein zu unterscheiden.<br />
Nimmt man nicht die Stellung im Produktionsprozess als entscheidendes<br />
Kriterium, um die Stellung einer Berufsgruppe zu charakterisieren, dann kann es<br />
passieren, dass diejenigen Angestellten, die sich nur einbilden, »etwas Besseres zu<br />
sein«, es aber gar nicht sind, mit denen in einen Topfgeworfen werden, die gegenüber<br />
der Masse der Lohnarbeiter wirklich eine herausgehobene Stellung einnehmen.<br />
In den Debatten über die Angestelltenpolitik der Gewerkschaften führt<br />
diese Verwischung tatsächlicher Klassendifferenzen zu dem Versuch, standesbewussten<br />
höheren Angestellten Positionen in den Betriebsräten und in gewerkschaftlichen<br />
Strukturen auf einem silbernen Tablett anzubieten und die gewerkschaftliche<br />
Angestelltenpolitik an deren »individualistischen« Bedürfnissen auszurichten.<br />
Die neue Mittelklasse sind die Schichten höhergestellter und gut bezahlter abhängig<br />
Beschäftigter, die die mittleren Positionen der bürokratischen Strukturen<br />
besetzen, die für den reifen Kapitalismus typisch geworden sind. Sie unterscheiden<br />
sich von den Spitzenbürokraten, die diese Strukturen anführen.<br />
Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und Direktoren von Großkonzernen<br />
zählen nicht zur neuen Mittelklasse. Diese »Top-Manager« sind praktisch nicht<br />
unterscheidbar von den Kapitalisten selbst, sind ebenso wie diese fest auf die<br />
Ausbeutung der Arbeitskräfte orientiert und daher, wie Marx es ausdrückte, »personifiziertes<br />
Kapital«.<br />
Unterhalb der eigentlichen Führungsebene von Vorständen und Geschäftsführern<br />
beginnt die Ebene der neuen Mittelklasse , zu der die Masse der »leitenden<br />
Angestellten« und der AT-Angestellten (Außertariflich Eingestuften) zählen, darüber<br />
hinaus aber auch ein Teil der obersten Gehaltsgruppen der Angestelltentarife.<br />
Die neue Mittelklasse unterscheidet sich auch von der Klasse der Lohnarbeiter,<br />
seien es Angestellte oder Arbeiter. Lohnarbeiter erhalten nicht mehr als den Wert<br />
ihrer Arbeitskraft als Bezahlung, während die Mitglieder der neuen Mittelklasse<br />
25<br />
Vgl.: Weber, Max 2001: Wirtschaft und Gesellschaft – Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen<br />
Ordnungen und Mächte. Teilband 1: Gemeinschaften, MWG 1/22-1: 177ff.<br />
26<br />
Vgl.: Marx, Karl 1847: Das Elend der Philosophie, MEW 4: 180f.