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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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68 Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung<br />

Als die sozialliberale Regierung unter Willy Brandt zwar Reformen realisierte,<br />

aber nach den Wahl von 1972 weit hinter den Erwartungen zurückblieb und<br />

stattdessen anfing, Lohnzurückhaltung von den Gewerkschaften zu fordern und<br />

die versprochenen Reformen (Berufsausbildung) ganz stoppte, standen die Jusos<br />

und die Linke in der SPD vor einem Dilemma. Sie waren zwar in der Lage, die<br />

Regierung für ihr Zurückweichen vor dem Kapital und wegen ausbleibender Reformen<br />

zu kritisieren, aber sie hatten nicht die Möglichkeit, um eine andere, offensive<br />

Klassenkampfstrategie zu kämpfen, da ihnen eine eigenständige Verankerung<br />

in Betrieben und Gewerkschaften fehlte. Mit dem Beginn einer spontanen<br />

Streikbewegung von 1973 entstand aus der Praxis heraus eine alternative Klassenkampfstrategie.<br />

Der Juso-Bundesvorstand stellte sich hinter die Forderungen<br />

und die Praxis der Streikbewegung und ging damit offen auf Konfrontationskurs<br />

mit der Regierung unter Kanzler Willy Brandt, der in einer Fernsehansprache die<br />

Streiks angegriffen hatte. Ein Mitglied des Bundesvorstandes der Jusos ging sogar<br />

einen Schritt weiter.<br />

In einer Rede auf der Landeskonferenz der bayrischen Jusos im Juni 1973 hatte<br />

Johanno Strasser »eine strategische Umorientierung der Politik der Jungsozialisten<br />

gefordert. Die Jusos sollten seiner Meinung nach die abstrakte Strategiedebatte<br />

beenden und sich darauf vorbereiten, in aktuelle Klassenkämpfe einzugreifen.<br />

Strasser ging von einer zu erwartenden Verschärfung der Spannungen im<br />

Herbst aus […]. Er kritisierte die Stabilitätspolitik der Regierung […]. Gleichzeitig<br />

sagte er eine vorsichtige Politik der Gewerkschaftsführung voraus aufgrund<br />

ihrer Loyalität zur Regierung […]. Er forderte die Jungsozialisten auf, in einer<br />

breiten Kampagne an die konkreten Klassenkämpfe anzuknüpfen, die Forderungen<br />

und Streiks der Arbeiter zu unterstützen und angesichts der erfolglosen Stabilitätspolitik<br />

eine Verbindung zwischen konkreten Tagesforderungen und langfristigen<br />

strategischen Zielen herzustellen.« 60<br />

Die Reaktion der SPD-Führung und der Gewerkschaftsführung war hart. Sie<br />

nahmen das Anliegen der Jusos ernst und warnten, wie etwa der bayrische Vorsitzender<br />

des DGB, der extra auf der Juso-Konferenz auftrat, vor einer Politik,<br />

die einen innerparteilichen Konflikt »nun auf die Gewerkschaften übertragen<br />

und einen Keil zwischen Funktionäre und Mitglieder treiben« würde. 61 Auch Willy<br />

Brandt verurteilte die Stellungnahme der Jusos als »außerordentlich abträglich<br />

für die Sozialdemokratische Partei und die gebotene Solidarität mit den Gewerkschaften«.<br />

62 Zugleich gab es eine Solidarisierung in der SPD und in den Gewerkschaften<br />

mit den angegriffenen Jusos. Eine Erklärung zur Verteidigung der Jusos<br />

60<br />

Deppe, Rainer/ Herding, Richard / Hoß, Diedrich: Sozialdemokratie und Klassenkonflikte :<br />

Metallarbeiterstreik - Betriebskonflikt – Mieterkampf 301 Seiten. S.118<br />

61<br />

ders. S. 120<br />

62<br />

ders. S.122

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