MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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Gewerkschaften bei Marx und Engels 109<br />
heute ein Telefon und ein Fernseher zum Existenzminimum eines Arbeiters,<br />
während es im 19. Jahrhundert überhaupt noch keine elektrischen Haushaltsgeräte<br />
gab. Aber gehört heutzutage auch eine Urlaubsreise in den Süden zum Existenzminimum,<br />
die in dem Jahreslohn eines Beschäftigten in Deutschland enthalten<br />
sein muss?<br />
Marx fasst den ökonomischen Rahmen zusammen, der dem Lohnkampf zugrunde<br />
liegt: »Was aber die Profite angeht, so gibt es kein Gesetz, das ihr Minimum<br />
bestimmte.« Und umgekehrt, »obgleich wir das Minimum der Arbeitslöhne<br />
feststellen können, [können wir] nicht ihr Maximum feststellen«. Die Fixierung<br />
des Werts der Arbeitskraft »erfolgt nur durch das unaufhörliche Ringen zwischen<br />
Kapital und Arbeit […] Die Frage löst sich auf in die Frage nach dem Kräfteverhältnis<br />
der Kämpfenden.« 16<br />
Dabei blieb Marx aber nicht stehen. Gegenüber den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts<br />
hatte sich das Gewerkschaftertum gewandelt. Der revolutionäre Impuls<br />
des Chartismus war zum Erliegen gekommen. In England waren »New Model<br />
Unions« entstanden, die wesentlich unpolitischer und enger in ihrer Ausrichtung<br />
waren als die Arbeiterassoziationen der chartistischen Ära. Marx ging vor diesem<br />
Hintergrund das erste Mal auf die Schranken gewerkschaftlicher Tätigkeit ein:<br />
Gleichzeitig, und das ganz unabhängig von der allgemeinen Fron, die das Lohnsystem<br />
einschließt, sollte die Arbeiterklasse die endgültige Wirksamkeit dieser tagtäglichen<br />
Kämpfe nicht überschätzen. Sie sollte nicht vergessen, dass sie gegen Wirkungen<br />
kämpft, aber nicht gegen die Ursachen dieser Wirkungen; dass sie zwar die Abwärtsbewegung<br />
verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert; dass sie Palliativmittel<br />
anwendet, die das Übel nicht kurieren. Sie sollte daher nicht ausschließlich in diesem<br />
unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen, der aus den nie enden wollenden Gewalttaten<br />
des Kapitals oder aus den Marktschwankungen unaufhörlich hervorgeht. […]<br />
Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die<br />
Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer<br />
Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich,<br />
sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden<br />
Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten<br />
Kräfte zu gebrauchen als Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse,<br />
d. h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems. 17<br />
Ökonomischer und politischer Kampf<br />
Als Marx 1865 im Rahmen der IAA die Orientierung der Gewerkschaften auf<br />
die endgültige Abschaffung des Lohnsystems forderte, gab es in keinem Land<br />
eine klar ausdifferenzierte Trennung zwischen Parteien der Arbeiterklasse und<br />
16<br />
Marx, MEW, Bd. 16, S. 149.<br />
17<br />
Marx, MEW, Bd. 16, S. 152.