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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Von Führung und Basis 95<br />

beurteilen. Denn dieses Verhältnis, auch die Disziplinierungsfunktion, basiert auf<br />

einer sozialdemokratischen Hegemonie in der Gewerkschaftsbewegung. Die<br />

Trennung von Politik und Ökonomie und die daraus resultierende Arbeitsteilung<br />

wird von den meisten Gewerkschaftsmitgliedern akzeptiert. Während Gewerkschaften<br />

die Klasse immer wieder neu organisieren müssen und deswegen auch<br />

Widerstand anführen und organisieren, halten wir die SPD in Lenins Worten für<br />

eine »kapitalistische Arbeiterpartei«, die zwar, um Wahlen zu gewinnen, an die<br />

Reformhoffnungen der Wählerschaft anknüpfen muss, aber gleichzeitig fest auf<br />

dem Boden des bürgerlichen Staates und des Kapitalismus steht. Ihre Funktion<br />

als Verteidigungsorganisation von Arbeiterinteressen führt die Gewerkschaften<br />

in Krisenzeiten in Widerspruch zur Sozialpartnerschaft, zum Stellvertretertum,<br />

zum Nationalismus der SPD oder zur Aufgabe ihrer ureigensten Ziele und ihres<br />

Klassenauftrages. Dieser Widerspruch muss sich dann auch in einer Herausforderung<br />

des Einflusses der SPD in den Gewerkschaften ausdrücken.<br />

Die Bedeutung des subjektiven Faktors<br />

Wir verstehen uns in der Tradition eines Marxismus, in der dem subjektiven Faktor,<br />

dem bewussten Eingriff in die Geschichte, eine große, manchmal entscheidende<br />

Rolle zugewiesen wird. Eine so verstandene Handlungstheorie unterscheidet<br />

uns von denjenigen Traditionen, die in sozialdemokratischer und stalinistischer<br />

Lesart des Marxismus die objektiven Faktoren der Geschichte zur Ableitung<br />

des Bewusstseinsstandes der Arbeiterklasse als allmächtig zugrundelegen. 30<br />

Allerdings besteht die Gefahr bei einer Überbetonung des subjektiven Faktors zu<br />

einer voluntaristischen und letztlich idealistischen Übertreibung zu kommen, die<br />

jedes Scheitern von Klassenkämpfen immer nur dem Versagen der Führung anhängt<br />

oder aber zu minoritären Stellvertreteraktionen bis hin zu abenteuerlichen<br />

Streikaufrufen führen kann, die von der Mehrheit als »verheizen« verstanden<br />

werden. 31<br />

30<br />

Klassenbewusstsein ist nach Kautsky ein bloßer Reflex auf eine bestimmte Klassenlage bzw.<br />

»Umwelt«. Natürlich entging auch Kautsky nicht, dass Menschen unter identischen Umständen<br />

zu unterschiedlichen Erkenntnissen und politischen Aktionen kamen. Aber er tröstete sich mit<br />

der Feststellung: »Die Menschen reagieren alle im Durchschnitt auf die gleichen Reize in gleicher<br />

Weise, wenn die Bedingungen die gleichen sind, unter denen der Reiz sie trifft.« (Karl Kautsky<br />

»Die materialistische Geschichtsauffassung, Bd. 2, Berlin 1927, S.458.) Kautsky benutzt hier die<br />

Begriffe der damals modernen Schule der Behavioristen (Verhaltensforscher). Die einzig gestaltende<br />

Kraft der menschlichen Geschichte sind nach Kautsky die sich entwickelnden Produktivkräfte.<br />

31<br />

Voluntarismus ist in verschiedenen Variationen in der Geschichte der Arbeiterbewegung aufgetreten,<br />

eine wichtige war der verfrühte Aufstand, der Versuch der politischen Machtergreifung<br />

nicht auf der Basis einer die gesamten Kräfteverhältnisse berücksichtigen Analyse, sondern auf<br />

Grund lokaler Ereignisse und Erfahrungen. Hierzu gehören in der Anfangsphase der deutschen

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