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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Der aufhaltsame Abstieg 21<br />

schaffte das, woran Kohl letztlich gescheitert war: Sie schaffte es mit einer Mischung<br />

von Knüppel und Überredung. In seiner Agenda-Rede 2003 drohte SPD-<br />

Kanzler Gerhard Schröder den Gewerkschaften mit gesetzlichen Schritten, wenn<br />

sie die Flächentarifverträge nicht weiter öffneten: »Ich erwarte, dass sich die Tarifparteien<br />

auf betriebliche Bündnisse einigen. Geschieht das nicht, wird der Gesetzgeber<br />

handeln.« Die Drohung mit einer gesetzlichen Reform des Tarifvertragswesens<br />

führte schließlich zum gewünschten Erfolg: Mit dem Pforzheimer<br />

Abkommen zwischen der IG Metall und Südwestmetall Gesamtmetall aus dem<br />

Jahr 2004 wurde eine neue rechtliche Grundlage für die nun auf breiter Front<br />

einsetzende Durchlöcherung und Aufweichung des Flächentarifs geschaffen. Die<br />

wichtigsten Unterschiede zu den Vereinbarungen von 1993 und 1996 waren, dass<br />

Abweichungen vom Flächentarifvertrag jetzt auch zur Krisenprävention vorgesehen<br />

waren, das heißt zu Verbesserung der Konkurrenzsituation des Unternehmens.<br />

Sämtliche tariflichen Standards können unterschritten werden, also auch<br />

Lohn- und Gehaltszahlungen. Und das Abkommen erweiterte noch einmal den<br />

Rahmen für Arbeitszeitflexibilisierung. Die Quote der Beschäftigten, deren Arbeitszeit<br />

wöchentlich 40 statt der 35 Stunden über sechs Monate pro Woche betragen<br />

darf, wurde für Betriebe mit einem hohen Facharbeiter- und Technikeranteil<br />

von 18 auf 50 Prozent erhöht, Überstundenzuschläge werden nicht bezahlt.<br />

Die eingehandelten Zusagen der Unternehmer betrafen Beschäftigungszusagen<br />

(75,2 Prozent), Standortzusagen (52,8 Prozent) Erfolgsbeteiligung (35,4 Prozent)<br />

und Investitionszusagen (33,8 Prozent). 30<br />

Von Februar 2004 bis Juni 2008 sind auf der Grundlage des Abkommens 642<br />

Ergänzungstarifverträge beschlossen worden, allerdings die meisten davon von<br />

tarifgebundenen Firmen, wo immerhin ein Drittel aller Firmen ein betriebliches<br />

Bündnis abgeschlossen hatte. Die Zugeständnisse der Arbeitnehmer bezogen<br />

sich zu 56 Prozent auf freiwillige übertarifliche und durch den Betriebsrat geregelte<br />

Leistungen und zu 44 Prozent auf tarifliche Normen. Bei den Zugeständnissen<br />

beim Entgelt macht der Wegfall von Mehrarbeitszuschlägen den höchsten<br />

Anteil aus (50,6 Prozent), dann kamen Kürzungen oder Streichungen von außertariflichen<br />

Sonderzahlungen (43,7 Prozent) oder des Urlaubsgelds (33,3 Prozent)<br />

und das Absenken von übertariflichen Entgeltbestandteilen (41,2 Prozent). 31<br />

Die neue Formel heißt »Lohnverzicht gegen Arbeitsplatzsicherheit«. Nach verschiedenen<br />

Erhebungen und Untersuchungen halten sich zwischen 80 und 90<br />

Prozent der Unternehmer an die vereinbarten Zusagen. Daraus zu schließen,<br />

dass die »Bündnisse für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit«, wie sie noch in den<br />

1990er Jahren genannt wurden, sich bewährt und dazu beigetragen hätten, Arbeitslosigkeit<br />

einzudämmen oder zu verhindern, wäre jedoch falsch. Das Ziel der<br />

30<br />

Hagen Lesch, Betriebliche Bündnisse für Arbeit, Köln Oktober 2008. IW-Report 4/2008<br />

31<br />

Lesch, a.a.O., S. 8

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