MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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226 Das Potenzial der weiblichen Arbeiterklasse<br />
eher im sozialen, familiären Bereich der Fall, Männer tun dies eher im gesellschaftlichen<br />
und beruflichen Teil. 92<br />
Gewerkschaftliche Herausforderungen<br />
Wie ist mit diesem Problem umzugehen? In die Reihen der Gewerkschaften gibt<br />
es zum Teil immer noch die Auffassung, dass Frauen aus all diesen Gründen<br />
zwangsläufig politisch weniger bewusst und gewerkschaftlich ansprechbar sind.<br />
Die gleiche Argumentation ließe sich aber ebenso gegenüber anderen Gruppen<br />
der Arbeiterklasse anwenden, die aus verschiedensten Gründen eine schwächere<br />
gewerkschaftliche Tradition aufweisen wie etwa die Angestellten, Ungelernten,<br />
Migranten und jungen Menschen. Würde sich eine solche Sichtweise auf Dauer<br />
durchsetzten, bliebe, überspitzt gesagt, nur noch der ältere männliche, weiße<br />
Facharbeiter zu organisieren – ohne Zweifel ein wichtiger Teil der heutigen modernen<br />
Arbeiterklasse, aber eben nicht die gesamte Arbeiterklasse.<br />
Gegen eine solche rückwärtsgewandte Ansicht, wandte sich schon Clara Zetkin.<br />
Um eine stärkere gewerkschaftliche Tradition unter Frauen aufzubauen, forderte<br />
sie besondere Anstrengungen und eine »Frauenagitation« ein. Bereits damals<br />
gaben ihr einzelne Erfolge Recht. Und auch heutige Erfahrungen zeigen<br />
potenzielle Möglichkeiten und zugleich Defizite gewerkschaftlicher Praxis. So<br />
stellt das HBS-Arbeitspapier fest:<br />
Eine Untersuchung unter »einfachen« weiblichen Gewerkschaftsmitgliedern fördert<br />
zutage, dass diese Frauen aus dem gewerblichen wie dem Angestelltenbereich zum<br />
Teil mit »großer Selbstverständlichkeit« Gewerkschaftsmitglied sind. Sie sehen in den<br />
Gewerkschaften eine notwendige Einrichtung der Interessenvertretung der Beschäftigten,<br />
zu der sie sich loyal verhalten. Zwar existieren unter den Befragten kaum<br />
Kenntnisse über die gewerkschaftliche Organisationsstruktur und erst recht nicht<br />
über die sogenannte Beschlusslage, gleichwohl aber werden bei aller Loyalität auch<br />
kritische Beurteilungen vorgenommen, insbesondere bei Interessenthemen, die ihre<br />
eigenen Erfahrungen und Interessen berühren. So wird »heftig kritisiert«, dass die<br />
Kinderbetreuung »kein Thema« für Gewerkschaften ist, wie auch insgesamt die<br />
Ignorierung von »Fraueninteressen« rund um die Vereinbarkeitsproblematik von Beruf<br />
und Familie moniert wird. 93<br />
Für die Gewerkschaften muss dies bedeuten, sich stärker auf die Bedürfnisse<br />
und besonderen Probleme der arbeitenden Frauen auszurichten.<br />
Zunächst inhaltlich: Es ist wohl bezeichnend, dass die Gewerkschaften in den<br />
vergangen Jahren Kampagnen gegen die prekäre Beschäftigung der Leiharbeit<br />
führen, von der mehrheitlich Männer betroffen sind, aber gegen die viel zahlreicheren<br />
Minijobs, von denen mehrheitlich Frauen betroffen sind, ähnliches aus-<br />
92<br />
Hans-Böckler-Stiftung, Zukunft der Gewerkschaften, S. 91.<br />
93<br />
Hans-Böckler-Stiftung, Zukunft der Gewerkschaften, S. 67.