MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit 245<br />
deswegen wichtig sei, dass mit staatlicher Unterstützung rechtzeitig neue Produktionszweige<br />
entwickelt werden und so neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen.<br />
Hans Matthöfer, 1975 Bundesminister für Forschung und Technologie und<br />
ab 1978 Finanzminister im Kabinett von Helmut Schmidt, war einer der Vordenker<br />
dieser Politik:<br />
Wer unser Land vor Krisen bewahren will, muss dafür sorgen, dass rechtzeitig Instrumente<br />
entwickelt werden, die verhindern helfen, dass der technische Fortschritt<br />
sich mangels kompensatorischer Beschäftigungsstrategien in letzter Konsequenz gegen<br />
die Interessen der arbeitenden Bevölkerung richtet. […] Die deutschen Gewerkschaften<br />
haben nie versucht, den technischen Fortschritt künstlich aufzuhalten. Die<br />
entgegengesetzte Strategie der britischen Gewerkschaften hat mit dazu beigetragen,<br />
dass die Arbeitsproduktivität in Großbritannien langsamer stieg als in vergleichbaren<br />
Ländern. Die deutsche Arbeiterbewegung hat immer eine Politik betrieben, die die<br />
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nicht gefährden, Arbeitslosigkeit und soziale<br />
Härten aber von den Arbeitnehmern abwenden sollte. 13<br />
Ihr erklärtes Ziel, damit einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit<br />
zu leisten, hat diese Strukturpolitik nie erreicht. Sie kam immer zu spät,<br />
beschränkte sich auf Subventionen, um neue Betriebe anzusiedeln oder die öffentliche<br />
Infrastruktur auszubauen, ohne damit eine wirksame Entwicklung zu<br />
initiieren, die ausreichend Ersatzarbeitsplätze geschaffen hätte. Die ständig steigende<br />
Zahl der Berufspendler, die zudem immer weitere Wege auf sich nehmen<br />
müssen, zeigt das. Am deutlichsten wird das Scheitern der Strukturpolitik in den<br />
ostdeutschen Bundesländern. Ganze Landstriche sind deindustrialisiert worden<br />
und nur an sehr wenigen Standorten ist etwas Neues entstanden.<br />
Auch das Ruhrgebiet ist nach dem Schrumpfen der Montanindustrie, trotz der<br />
Gründung von Universitäten und der Ansiedlung neuer Betriebe, heute immer<br />
noch eine strukturschwache Region mit einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit.<br />
Die Finanzlage vieler Kommunen dort ist desaströs. Oberhausen<br />
ist die am höchsten verschuldete Stadt in Deutschland.<br />
Strukturpolitik im Kapitalismus ist der Versuch, mit staatlichen Subventionen<br />
und steuerlichen Abschreibungsmodellen Investitionsanreize zu schaffen. Die so<br />
geweckten Begehrlichkeiten führen nicht selten zu Mitnahmeeffekten, wie bei<br />
Nokia in Bochum. Dort schloss der Konzern 2008 ein profitables Werk, das zuvor<br />
mit 80 Millionen Euro öffentlicher Zuschüsse subventioniert worden war.<br />
4.000 Menschen verloren damals ihre Arbeit, wenn man die Zulieferindustrie<br />
mitrechnet.<br />
Eine Strukturpolitik, die auf die Investitionsentscheidungen von Unternehmen<br />
Einfluss nehmen kann, wäre dagegen sinnvoll. Dadurch könnte gewährleistet<br />
13<br />
Hans Matthöfer, »Humanisierung der Arbeit und Produktivität in der Industriegesellschaft«,<br />
Köln 1977, S. 48f.