MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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98 Von Führung und Basis<br />
Für eine Analyse der Arbeiterbewegung in Deutschland des 21. Jahrhunderts<br />
ergeben sich daraus aus unserer Perspektive drei Konsequenzen für ein Verständnis<br />
des subjektiven Faktors:<br />
Erstens ergeben sich mit dem Konzept der Zurechnung von Lukács Möglichkeiten,<br />
den Handlungsspielraum etwa von Gewerkschaftsfunktionären auszuloten<br />
und zu versuchen, diese an den ihrer eigenen Klassenlage möglichen Potenzialen<br />
zu messen. Die objektiven Kräfte, die dabei wirken und den Spielraum bestimmen,<br />
den einzelne Führungsfunktionäre, aber auch mittlere oder untere<br />
Funktionäre haben, ist dabei der erste Schritt. Die materielle Abgehobenheit, die<br />
permanente Verhandlungsposition mit ihrem eingebauten Stellvertreterprinzip<br />
und die Verbindung zur Sozialdemokratie machen eine Fortführung des Krisenkorporatismus<br />
und den Versuch, durch eine Verbetrieblichung und weitere Anpassung<br />
auf ein Ende der Angriffe zu hoffen, zur wahrscheinlichsten Reaktion<br />
breiter Teile der hauptamtlichen Funktionäre. Einer nüchternen Einschätzung<br />
der Gewerkschaftsbürokratie sollte auch die Notwendigkeit, die eigene Position<br />
durch den Erhalt bzw. den Ausbau der Organisationsmacht zu sichern, zugrundeliegen.<br />
In der Einschätzung etwa eines Gewerkschaftsfunktionärs bedeutet<br />
dies, dass der Wunsch nach Stärkung der eigenen Organisationsmacht ihn zu einer<br />
Kritik des Stellvertretertums oder der Beförderung von Selbstaktivität bringen<br />
kann, aber keinesfalls muss. Ähnliche materielle und organisatorische Einbindungen<br />
können also ganz unterschiedliche Handlungsperspektiven hervorbringen.<br />
So sind Bertholt Huber (»die spanischen Löhne sind zu hoch« 37 ) und<br />
Bernd Riexinger (»Wir streiken, so oft wir können.« 38 ) beide objektiv gesehen<br />
nügt es in den meisten Fällen, das falsche Bewusstsein der objektiven Wirklichkeit des ökonomischen<br />
Lebens einfach gegenüberzustellen, um die geschichtliche Lage, den Verlauf des Geschichtsprozesses<br />
richtig zu begreifen. (...)Aber bereits das eben angeführte Beispiel kann uns<br />
darüber belehren, dass die einfache Gegenüberstellung nicht immer ausreichend ist. Denn auch<br />
das falsche Bewusstsein ist in dialektischer und in mechanischer Weise falsch, das heißt es gibt<br />
objektive Verhältnisse, die von einer solchen Klasse (gemäß ihrer Klassenlage) unmöglich übersehen<br />
werden können, und es gibt innerhalb der selben Verhältnisse Lagen, die erkannt werden<br />
können, Lagen, in den es (klassenmäßig) möglich ist, der objektiven Lage entsprechend, bewusst<br />
oder unbewusst, richtig zu handeln. Die tatsächlichen Gedanken über solche Lagen jedoch (bei<br />
Klassen, Parteien, Führern) treffen nicht immer dieses Richtige, das zu treffen sie klassenmäßig<br />
möglich gewesen wäre. Zwischen dem Bewusstsein, das sie tatsächlich über ihre Lage haben und<br />
zwischen dem Bewusstsein, das sie – gemäß ihrer Klassenlage – über diese Lage haben könnten,<br />
ist ein Abstand vorhanden, den möglichst zu überwinden eben die Aufgabe der Parteien und ihrer<br />
Führer ist« (Lukács 1996, S. 22).<br />
37<br />
»Die spanischen Gewerkschaften haben ihren Vorteil verspielt, weil sie sich um einen Reallohnausgleich<br />
bemüht haben.” (Bertholt Huber im Manager Forum bei phönix, http://www.phoenix.de/forum_manager_zu_gast_ig_metall_vorsitzender_berthold_huber/529407.html,<br />
Minute<br />
30-32)<br />
38<br />
Transkript einer Rede auf Marx is Muss 2011, Marx 21, veröffentlicht 16.8.2011, http://marx21.de/content/view/1497/32/.