05.11.2013 Aufrufe

MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Globalisierungsmythen und die »New Economy« 153<br />

einander die Verantwortung für Kostensenkungen und Angriffe auf die Arbeiter<br />

zuschieben. Ihre Unabhängigkeit ist aber oft mehr formell als real. Im britischen<br />

Hoch- und Tiefbau beispielsweise bestehen viele nominell unabhängige Firmen<br />

aus jeweils einem einzigen Beschäftigten, um so Steuern zu hinterziehen. 71 Aber<br />

sogar zwischen real existierenden Firmen verdecken nominell freie Marktbeziehungen<br />

zugrundeliegende Machtbeziehungen zwischen den Produzenten auf<br />

den verschiedenen Produktionsstufen. 72 Wenn es mehr als nur einen Zulieferer<br />

für eine bestimmte Komponente gibt, kann es sich um eine Strategie handeln, rivalisierende<br />

Firmen und deren Belegschaften gegeneinander aufzubringen. Zugleich<br />

birgt diese Strategie das Risiko, dass das gesamte Netzwerk durch Aktionen<br />

an nur einer Stelle funktionsunfähig wird. Ein Merkmal solcher Netzwerke<br />

ist die zunehmend enge Taktung von Just-in-time-Produktionsabläufen, so dass<br />

entstehende Produktionsausfälle nicht einfach durch alternative Anbieter andernorts<br />

ausgeglichen werden können. Nur 230 Arbeiter eines unabhängigen Herstellers<br />

von Stoßstangen und Armaturenbrettern in Australien konnten im Jahr 2007<br />

anscheinend bereits nach 40 Minuten die Produktion bei Ford in Mitleidenschaft<br />

ziehen und Verluste in Höhe von einer Million Dollar pro Tag verursachen. 73<br />

Konkurrenzfirmen werden womöglich nach einer gewissen Zeit in die Bresche<br />

springen können, so dass Streikaktionen, die nur auf einen Zulieferer beschränkt<br />

bleiben und denen es nicht gelingt, die Solidarität in allen Zulieferbetrieben zu<br />

gewinnen, mittelfristig untergraben werden können. Das scheint aber kein qualitativ<br />

neues Problem zu sein.<br />

Diese Entwicklungen schaffen die Tendenz zur Konzentration und Zentralisation<br />

keineswegs ab. Um nochmals das Beispiel der nordamerikanischen Automobilindustrie<br />

aufzugreifen: Die Zahl der Zulieferer sank zwischen 1990 und 2000<br />

von über 30.000 auf weit unter 10.000 bei gleichzeitiger Steigerung der outgesourcten<br />

Produktion. 74 Mit anderen Worten, ihre durchschnittliche Größe nahm<br />

besonders schnell zu, wobei viele zu eigenständigen Industriegiganten heranwuchsen.<br />

Bezeichnenderweise hielt sich der gewerkschaftliche Organisationsgrad<br />

in den Stätten der Endfertigung trotz schrumpfender Betriebsgröße besser als in<br />

denen der Teileproduktion mit wachsender Betriebsgröße.<br />

Andere Sektoren bieten ein ähnliches Bild. Im Finanzsektor haben sich amerikanische<br />

Arbeiter seit der Hexenjagd gegen die Postarbeiter- und Dienstleistungsgewerkschaft<br />

United Post Office und Professional Workers of America im<br />

Jahr 1950 kaum wieder gewerkschaftlich organisiert. 75 In Großbritannien und<br />

71<br />

Harvey, 2001.<br />

72<br />

Gereffi, Humphrey und Sturgeon, 2005.<br />

73<br />

ABC News, Australia, 24 August 2007.<br />

74<br />

Dicken, 2007, S. 292.<br />

75<br />

Pollard, 2005.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!