MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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282 Die Klassenkämpfe in Europa<br />
nem unterschiedlichen Grad an Selbstbewusstsein und Kampfbereitschaft sogar<br />
innerhalb ein und desselben Landes führen.<br />
Das die meiste Zeit überwiegend reformistische Bewusstsein der meisten Arbeiter<br />
spiegelt sich in den reformistischen Organisationen wider und wird durch sie<br />
verstärkt. Die Tradition des Labourism in der britischen Arbeiterklasse beispielsweise<br />
ist der Fels, an dem Arbeitskämpfe im 20. Jahrhundert immer wieder zerschellten.<br />
Die Labour Party versuchte während ihrer Regierungszeit in den Jahren<br />
1964 bis 1970 und 1974 bis 1979 mit Unterstützung der Gewerkschaftsführer<br />
und unter häufigem Verweis auf das »nationale Interesse« die Kampfbereitschaft<br />
der Arbeiter zu dämpfen, indem sie Lohnsteigerungen an die Produktivitätsentwicklung<br />
koppelte und so die Macht der betrieblichen Vertrauensleute, der<br />
Shop Stewards, bei der Aushandlung von Zulagen schwächte, und indem sie eine<br />
Schicht hauptamtlicher betrieblicher Gewerkschaftsfunktionäre und Vertrauensleute<br />
schuf, die in weniger unmittelbarem Kontakt mit den Arbeitern standen. 40<br />
Zwischen den reformistischen Organisationen herrscht Arbeitsteilung. Während<br />
sozialdemokratische Parteien schrittweise politische Reformen im Rahmen<br />
des kapitalistischen Staates versprechen, spielen im wirtschaftlichen Bereich die<br />
Gewerkschaftsbürokratien die zentrale Rolle bei der Aushandlung der Ausbeutungsbedingungen<br />
der Arbeiter. In Ländern mit etablierten Gewerkschaften und<br />
dem Spielraum, stabile reformistische Organisationen zu entwickeln, bilden die<br />
Gewerkschaften in der Regel eine Schicht hauptamtlicher Funktionäre heraus, die<br />
mit dem Arbeitsalltag der Beschäftigten keinen unmittelbaren Kontakt mehr haben.<br />
41 Die gesellschaftliche Funktion dieser Bürokratie – die Verhandlungsführung<br />
im Rahmen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse – wird noch verstärkt<br />
durch ihre privilegierte Stellung. Wenn die von dieser Bürokratie vertretenen<br />
Arbeiterinnen und Arbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren, trifft das für die<br />
Funktionäre nicht zu. Wenn die Löhne der Gewerkschaftsmitglieder fallen, führt<br />
das nicht automatisch dazu, dass sich auch die Vergütung oder die Arbeitsbedingungen<br />
der Funktionäre verändern. Cliff und Gluckstein schreiben:<br />
[D]ie Bürokratie hält das Gleichgewicht zwischen den beiden Hauptklassen der kapitalistischen<br />
Gesellschaft: den Arbeitgebern und den Arbeitern. Die Gewerkschaftsfunktionäre<br />
sind weder Arbeitgeber noch Arbeiter. In den Geschäftsstellen der Gewerkschaften<br />
mögen viele Menschen arbeiten, aber anders als kapitalistische Unternehmer<br />
beziehen die Gewerkschaftsfunktionäre nicht ihren wirtschaftlichen und sozialen<br />
Status daraus. […] [D]er Gewerkschaftsfunktionär leidet nicht wie die Masse<br />
der Arbeiter unter niedrigen Löhnen, unter den Schikanen eines Arbeitgebers, Angst<br />
um den Arbeitsplatz und so weiter. Die Gewerkschaftsbürokratie ist eine eigene,<br />
grundsätzlich konservative gesellschaftliche Formation. […] Sie zügelt und kontrol-<br />
40<br />
Cliff und Gluckstein, 1996, S. 328–331.<br />
41<br />
Cliff und Gluckstein, 1986, S. 13–20.