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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Streiks in Deutschland – ein neuer Aufschwung? 169<br />

nen, LokführerInnen und insbesondere auch für ÄrztInnen. Hier haben sich<br />

zum Teil klassische Berufsverbände in gewisser Weise »vergewerkschaftlicht«.<br />

Bei den Ärzten ging es 2005 mit einem neuen Tarifvertrag los, der die Einkommensperspektive<br />

junger Ärztinnen und Ärzte sehr verschlechterte im Verhältnis<br />

zur vorherigen Generation. Ihren Unmut griff der Marburger Bund auf. Einige<br />

kritisieren, dass die Ärzte nicht mehr mit den anderen Krankenhausbeschäftigten<br />

zusammen kämpfen und ihre Sonderstellung ausnutzen. Meine These ist hingegen,<br />

dass ihre kämpferische Ausrichtung insgesamt die Auseinandersetzungen im<br />

Krankenhausbereich vorantrieb. Vorher hat man höchstens den technischen Bereich<br />

mobilisiert. Sonst waren Streiks dort verpönt mit der Begründung, das ginge<br />

doch gar nicht. Die Ärzte haben unter Beweis gestellt: Das geht eben doch!<br />

Ohne dass die Patienten Schaden nehmen. Nun nehmen auch von den anderen<br />

Angestellten im Krankenhaus neue Gruppen bei Streiks teil.<br />

Im Kita-Bereich wurde aus einer ähnlichen Rücksicht auf anvertraute Personen,<br />

die Kinder, sehr wenig gestreikt. 2009 hat sich das geändert. Der Spagat bei<br />

diesem Streik lag darin, dass der wirtschaftliche Druck auf die Kommunen gering<br />

war und es darauf ankam, insbesondere die Eltern für eine Verbesserung<br />

der Situation in den Kitas zu gewinnen und so politischen Druck aufzubauen.<br />

Den Beschäftigten half dabei natürlich auch, dass der Beruf der ErzieherIn zurzeit<br />

ein Mangelberuf ist, vor Kündigungen muss derzeit niemand Angst haben.<br />

Öffentlicher Druck ist ja auch für prekäre Beschäftigte sehr wichtig...<br />

Richtig. Exemplarisch hierfür steht der Streik des Reinigungspersonals für den<br />

Erhalt des tariflichen Mindestlohns im Jahr 2009. Dieser wurde zum einen durch<br />

sehr gezielte und auch wirksame Streikaktionen aber vor allem auch über eine<br />

wirksame öffentliche Mobilisierung gegen die Niedriglohnpolitik der Reinigungsfirmen<br />

gewonnen. Die »Verdiscounterung« des Arbeitsmarktes ist unpopulär in<br />

Deutschland, und auch nicht betroffene Beschäftigte finden es einen Skandal,<br />

wenn Reinigungskräfte, KurierfahrerInnen oder BriefzustellerInnen quasi zum<br />

Nulltarif beschäftigt werden sollen. Hinzukommt, meinem Eindruck nach, bei<br />

vielen Menschen das ungute Gefühl auf, dies könne einen auch selbst einmal<br />

treffen.<br />

Deshalb wurde der Streik der Reinigungskräfte auch gewonnen, obwohl nur<br />

eine kleine Minderheit der vielen hunderttausend Beschäftigten überhaupt gestreikt<br />

hat. Der Streik war spektakulär, weil es etwas Neues war, die IG BAU eine<br />

intelligente Strategie hatte und weil sie den Streik über die Öffentlichkeit und den<br />

dort entstandenen Druck führte. Die Ankündigung einiger Firmen, dass sie direkt<br />

nach dem Auslaufen des tariflichen Mindestlohns unmittelbar die Löhne<br />

senken würden, hat die öffentliche Stimmung zu Gunsten der Beschäftigten gekippt,<br />

und auch unter den Beschäftigten selbst die Mobilisierung beflügelt.

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